Full text: Natur und Gott

388 Das physikalisch⸗chemische Weltbild. 
tion wieder rückgängig machen und die erforderliche Umwandlungs⸗ 
temperatur im voraus berechnen; es läßt sich sogar auf Grund des 
Nernstschen Theorems die erforderliche Arbeit (Affinität) in lauter ther⸗ 
mischen Daten ausdrücken. 
Die messten Stoffe sind auch in ihrer Reinheit nicht einatomig, son— 
dern mehrere Atome verbinden sich zu einem Molekül; die Energie, mit 
der sie zusammenhalten, kann sehr groß sein; so beträgt die Verbindungs⸗ 
wärme des Wasserstoffmoleküls nahezu 300 000 Kalorien; diese Innig— 
keit der Verbindung wird gut erklärt durch das originelle Modell des 
Moleküls, das Bohr gegeben hat; er läßt die Mitte der Verbindungs⸗ 
linie in einer dazu senkrechten Ebene durch die beiden voneinander in 
möglichster Entfernung bleibenden Elektronen umkreist sein. Doch ist 
das Modell der Moleküle bisher noch wenig erklärt. Schwingungen der 
an sich selbständigen Atomgruppen, die auf höheren Energien iveaus 
(etwa im kurzwelligen Ultrarot) stattfinden, werden, wie man vielfach 
hat feststellen können, durch die optischen Bedingungen im Molekül nur 
unbedeutend beeinflußt; immerhin besitzt jedes Molekül gewisse beson⸗ 
dere Schwingungs⸗ und Rotationsfrequenzen (Bandenspektrum“). Der 
große Wert dieser festen Beziehungen des Bandenspektrums zum Mole⸗ 
kularaufbau liegt darin, daß mit einer bisher ungekannten Genauigkeit 
der Abstand der einzelnen Atome voneinander bestimmt werden kann; 
auch scheinen Beziehungen der Bandenspektren zum natürlichen System 
der Elemente zu bestehen. Man darf hoffen, daß es gelingen wird, durch 
Untersuchung der Bandenspektren die Grenzen zwischen dem Geltungs⸗ 
bereich der Quantentheorie auf der einen, der Mechanik und Elektrody⸗ 
namik auf der andern Seite zu ziehen. Die Quantentheorie des Mole— 
küls ist noch wenig entwickelt, aber wie man heute Adhäsion und Kohä⸗ 
sion, Adsorption und Kondensation, chemische Reaktion und Kristallisation 
auf elektrische Kräfte zurückführt, so steht eine nahe Zukunft in Aussicht, 
wo man auf Grund der Quantentheorie die chemischen Vorgänge ebenso 
der mathematischen Analnyse und theoretischen Vorausberechnung unter⸗ 
ziehen wird, wie heute die Vorgänge der Elektro⸗Magneto⸗Optik und der 
Thermodynamik. 
Hinzugefügt seien noch einige Bemerkungen über die allgemeinen 
Cigenschaften der Moleküle. Interessant ist die Feststellung, daß auch ein 
elektrisch neutrales Molekül, in dem sich elektrisch-positive und ⸗negative 
Cadungen der Zahl nach kompensieren, infolge des Auseinanderfalles 
der beiden Schwerpunkte gleichwohl eine meßbare Unausgeglichenheit 
der abstoßenden und anziehenden Kräfte zeigt; ein solches natürliches 
„Dipol“ ist z. B. das Wasserstoffmolekül. Man kann unter den Mole— 
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