Full text: Natur und Gott

390 Das phnysikalisch-chemische Weltbild. 
jeden Raum vollständig und mit gleichmäßiger Dichtigkeit zu erfüllen; 
diese Dichtigkeit bleibt aber gering; so wiegt 1 cem Cuft bei Oo nur das 
0,001293 fache von 1 cem Wasser. Verkleinert man durch Erhöhung des 
Druckes das dem Gase zur Verfügung stehende Volumen, so beginnt, 
wenn der kritische Punkt erreicht ist, die Substanz in einen Zustand grö— 
ßerer Kondensation überzugehen. Der flüssige Zustand teilt mit dem 
gasförmigen die relativ leichte (immerhin stark verringerte) Verschieb— 
barkeit der Teilchen; beiden gegenüber ist der feste Aggregatzustand da⸗ 
durch ausgezeichnet, daß jeder Formveränderung die sog. elastischen Kräfte 
entgegenwirken. Doch bedeutet dieser Zustand, etwa abgesehen von tief—⸗ 
sten Temperaturen, keine absolute Ruhe, sondern nur die Schwingung 
der kleinsten Teilchen um eine Kuhelage, in der sie durch die Kohäsions— 
kräfte festgehalten werden. Zugeführte Wärme steigert die kinetische und 
potentielle Cnergie der Teilchen und lockert ihren Zusammenhang; die 
Quantentheorie hat auch auf diese Zusammenhänge neues Licht gewor— 
fen. Die meisten festen Körper treten, falls nicht ungünstige Umstände 
störend auf ihren Bildungsprozeß einwirken, in gesetzmäßigen, poly⸗ 
edrischen Formen auf, sie kristallisieren. Die geometrische Form, die durch 
eine oder mehrere Symmetrieachsen oder -ebenen (oder durch beide) in 
einer für jeden Stoff gesetzmäßig festliegenden Art bedingt ist, ist indes 
nur das augenfälligste, nicht das einzige Kennzeichen des kristallisierten 
zustandes; auch das physikalische Verhalten des Körpers ist in verschie— 
denen Richtungen verschieden (Anisotropie). 
Häckel hat, um den Übergang von der Chemie zur Biochemie zu 
finden, den Kristallue) als Mittelglied aufgefaßt. Aber diese Annahme 
bewährt sich nicht, vielnehr knüpfen sich die Lebenserscheinungen im 
wesentlichen gerade an solche Stoffe, die von den kristallisierenden charak— 
teristisch verschieden sind und die man seit Graham (1862) als Kol—- 
loidenus), d. h. leimartige, bezeichnet. Wesentlich für sie ist die große 
Cangsamkeit ihrer Ausbreitung (Diffusion) in Lösungen, die z. B. für 
Tiweiß die 7fache Zeit beansprucht wie für Zucker; es hängt das offen— 
bar mit dem ausnehmend hohen Gewicht dieser Substanzen zusammen; 
8 
78 
574 
— 
*9 
11 
RX 
153* 
48* 
— 4* 
3 
—* 
1 
De 
142) Besondere Hoffnung setzte Häckel auf die von O. Lehmann entdeckten 
„flüssige Kristalle“. Diese stellen sich jedoch nach Bose als Slüssigkeiten heraus, 
deren Anisotropie durch eine parallele Cagerung langgestreckter Moleküle verur— 
sacht ist Mernst a. a. O. 713 f.), haben dagegen mit Uristallbildung nichts zu 
tun. Indes ist die Frage noch nicht endgültig erledigt (vgl. 3. B. W. Gerlach, 
Materie, Elektrizität, Cnergie 1923 8. 165). 
148) Vgl. R. Zsigmondy, Kolloidchemie, 2. Hufl. 1918. Wo. Ostwald, Grund⸗ 
riß der Kolloidchemie, 2. Aufl. 1919. Ceisegang, Kolloidchemie 1922; derselbe, Kol- 
sloide 1923. Vꝗgl. auch S. 390 Anm. 2.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.