Full text: Natur und Gott

396 Das Leben und seine Formen. 
den einschlägigen Theorien zu beschäftigen haben. Vorerst aber gilt es, 
die Tatsachen kennen zu lernen, und diese nötigen zu einer eigenartigen 
Zusammenschau phnsikalischechemischer und teleologischer Gesichtspunkte. 
Unstreitbar gelten die physikalischechemischen Gesetzmäßigkeiten auch auf 
dem Gebiete der Lebenserscheinungen, aber ebenso unbestreitbar sind 
jene Gesetzmäßigkeiten dem Bestande und der Erhaltung des Organis— 
mus dienstbar gemacht und führen zu physikalisch⸗chemischen Vorgängen 
und Gruppierungen, für die außerhalb der Lebenserscheinungen nur 
— 
Jede Unterscheidung zwischen organischeri) und anor gani— 
scher Chemie, die in ersterer noch etwas Andres sehen wollte, als die 
CThemie der Kohlenstoffverbindungene), hat man in der Wissenschaft 
längst fallen lassen. Seitdem Wöhler zum ersten Male die künstliche Her⸗ 
stellung eines im Lebensprozeß entstehenden Stoffes gelungen war (Syn⸗ 
these des harnstoffs 1828), ist die Scheidewand mehr und mehr nieder⸗ 
gelegt worden; die Zahl der künstlich hergestellten organischen Stoffe 
hat sich vervielfacht, auch sind Tausende von solchen Stoffen, die in der 
Natur nicht vorkommen, gebildet worden. Der Analyse des Chemikers 
können selbst die verwickeltsten organischen Stoffe kaum mehr entgehen, 
und auch die Synthese ist auf Grund der Arbeiten namentlich Emil 
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) Vgl. Graebe, Geschichte der organischen Chemie 1920; Lippmann, Zeit— 
tafeln zur Geschichte der organischen Chemie 1921. Einen bequemen Überblick 
bietet das kurze Cehrbuch der organischen Chemie von W. a4A. Noyes 1907. Für 
das Gebiet der physiologischen Chemie bin ich der übersichtlichen und knappen Dar—⸗ 
tellung von Paul Hari (ANurzes Lehrbuch der physiologischen Chemie 1918) per⸗ 
pflichtet. Das hauptwerk ist E. Abderhaldens umfassendes, vorzüglich geschriebenes 
Cehrbuch der physiologischen Chemie 4. A. 1920/21. Genannt sei noch W. Hhauro— 
witz, Biochemie 1925; ferner Abderhalden, Biochemisches Handexikon 1910 - 13. 
Bde.: die Biochemische Zeitschrift; Hoppe-Seylers Zeitschrift für physiologische Che— 
mie und Pflügers Archiv für Physiologie. Für die Kolloidchemie habe ich mich beson⸗ 
ders an H. Bechold (Die Kolloide in Biologie und Medizin 2. Aufl. 1919) gehalten. 
Genannt sei noch Wedekind, Kolloidchemie (in Göschen) 1925; vgl. auch oben 
S. 390, h. Freundlich, Kolloidchemie und Biologie 1925. 
2) Die Eigenart des Kohlenstoffs, die ihm eine so bevorzugte Stellung in 
der Natur verschafft, beruht 1. auf seiner Vierwertigkeit, die einen großen Keich⸗ 
tkum von KRombinationen erlaubt; 2. auf der Fähigkeit seiner Atome, einander fest 
zu binden; 3. steht er in der Mitte zwischen den negativen sund positiven Elemen⸗ 
ten (vgl. oben S. 493); 4. vermag die vierte Valenz bald positiv, bald negativ zu 
wirken; 5. besonders wichtig ist namentlich die Trägheit des Kohlenstoffes, die CLang— 
samkeit seiner Reaktionen, die den Aufbau auch sehr instabiler und künstlicher Per— 
bindungen gestattet. Für die Lebensfähigkeit der Tiere und Pflanzen ist diese Cigen— 
schaft von grundlegender Bedeutung. 
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