Full text: Natur und Gott

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Die organische Struktur, ihre Bedingungen u. Leistungen. 427 
renz von Reizserien) verständlich machen. Es bedarf eben eines, sei es 
auch kurz bemessenen Zeitintervalls, um die Erholung, das Stoffwechsel⸗ 
gleichgewicht, herbeizuführen. Auch die Tatsache, daß die Keizung auf 
den Ernährungszustand und auf die Gestaltung des betroffenen Organs 
einen Einfluß übt, wird von hier verständlich. Denn die Annahme ist 
naheliegend, daß namentlich langandauernde schwache Keize nicht nur 
die Absprengung und Aufspaltung der stickstofffreien Atomkette zur Folge 
haben, sondern auch die Stickstoffgruppe des Biogen beanspruchen, also 
hre Restitution bzw. Verstärkung herbeiführen werden. 
Betrachtet man die Reizübertragung bei Rhizopoden mit ihren 
Scheinfüßchen, so läßt sich erkennen, daß die Intensität, mit der die Er⸗ 
regung fortgepflanzt wird, die Streckenlänge und die Geschwindigkeit von 
der Intensität des Keizes abhängen und sich stets in gleichem Sinne 
mit ihr ändern. Die Intensität nimmt mit der Entfernung von der Keiz- 
stelle ab und kommt zum Erlöschen. Die Geschwindigkeit kann von ge— 
ringen Bruchteilen eines Millimeters in der Sekunde bis zu einem gan— 
zen Millimeter variieren. Ganz anders ist der Typus der Erregungs- 
leitung in der Nervenfaser. Für den motorischen Froschnerven fand Helm⸗ 
holtz 27 m/sec., für den sensiblen menschlichen Nerv 60 m, für den moto⸗ 
rischen Z4 m; die sonstigen Messungen schwanken in weiten Grenzen. 
Besonders wichtig aber ist, daß der Nerv unter normalen Verhältnissen 
die Erregung ohne Abnahme ihrer Intensität durch seine ganze Länge 
fortleitet; auch die Geschwindigkeit ist auf der ganzen Strecke eine gleich— 
mäßige. Von der Intensität des Keizes sind die Cigenschaften der Lei— 
tung vollkommen unabhängig. Erst wenn eine lokale Strecke in ihrer 
Erregbarkeit (etwa durch Narkose) herabgesetzt ist, folgt sie den für 
andersartige Leitungen geltenden Gesetzen. Auch eine Ermüdung des 
Nervs läßt sich erzwingen; überhaupt gilt die erwähnte Eigenart der 
lervenleitung nur unter normalen Bedingungen und wenn die Reize 
aicht schneller aufeinander folgen, als die Dauer des Refraktärstadiums 
letwa länger als 08ec.) beträgt. 
Buchen wir schließlich den Ertrag der Keizphysiologie für den psiycho⸗ 
logisch so wichtigen Begriff der „spezifischen ECnergie“ der organischen 
Snsteme. Erregung und Lähmung sind immer nur relative Begriffe, die 
erst in Beziehung auf den spezifischen Lebensvorgang eines gegebenen 
Systems einen Inhalt gewinnen Alle lebendige Substanz kann 
nur zur Beschleunigung oder Verlangsamung der in ihr 
vorgehenden Cebensprozesse veranlaßt werden und 
besitzt in diesem Sinne spezifische Energie; jedes System 
reagiert auf Reize in seiner besonderen Weise, der Muskel mit Zuckungen
	        
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