Full text: Natur und Gott

Das Leben und seine Formen. 
zeigen sich die Kerne immer nahezu in derselben Form und Große, 
während die Protoplasma⸗Masse größerem Wechsel unterworfen ist. 
Daraus erhellt, daß dem Kerne und in diesem wieder den Chromoso— 
men eine hohe Bedeutung zukommen muß. 
Nach Feststellung der verhältnismäßig einfachen Vorgänge bei 
der Teilung der gewöhnlichen Zelle wenden wir uns den Bildungsvor⸗ 
gängen bei den die Fortpflanzung der höheren Organismen vermitteln⸗ 
den Geschlechtszellen zu. Wir betrachten zunächst die Vorgeschichte dieser 
Zellen, von der sich zum ersten Male an der Ei⸗ und Samenbildung des 
Pferdespulwurms (der der Beobachtung besonders günstige Bedin— 
gungen bietet) ein Einblick bis in das feinste Detail hat gewinnen lassen. 
In der Keimzoneso) sind die außerordentlich kleinen Urgebilde von Ei 
und Samen einander zum Verwechseln ähnlich. Bei der sehr lebhaften 
Vermehrung entstehen aus den Kernen stets vier Chromosomen und zer—⸗ 
fallen bei der Teilung in vier Tochtersegmente, die für Zellen dieser 
Art feststehende Zahl. Beim Übertritt in die zweite, die Wachstums⸗ 
zone, hört die weitere Vermehrung der Geschlechtszellen auf, dagegen 
wachsen sie durch Aufnahme von Substanz; insbesondere gelangen die 
Tier zu beträchtlicher Gröhße. Sehr eigenartig und z. T. für beider Ge— 
schlechter verschieden gestalten sich die Vorgänge in der letzten, der Rei⸗— 
fungszone. Gemeinsam sind eigentümliche Vorgänge, bei denen man be— 
stimmte Teilstadien unterscheiden kann. In der längere Zeit andauernden 
Symapsis zieht sich das ursprünglich durch den ganzen Kern verteilte 
Thromatin zu einem dichten Knäuel auf der Seite des Kernes zusammen, 
wo außen das Centrosom liegt; allmählich zerfällt das Knäuel in die 
einzelnen Chromosome, die eine deutliche Zusammensetzung aus kleinen, 
paarweise aufeinander folgenden Chromatinkörnchen zeigen, so daß also 
jedes Chromosom als Doppelfaden erscheint. Den weitern Verlauf kann 
man dahin charakterisieren, daß zwei Teilungsprozesse unmittelbar an— 
einander anschließen, ja miteinander verkettet sind. Der erste kommt mit 
den üblichen Kernteilungsprozessen darin überein, daß die (schon vorher 
angedeutete) Längsspaltung der Chromosome vollzogen wird. Daran 
schließt sich unmittelbar eine zweite (Quer-) Teilung der Chromosome 
in zwei Gruppen, die also beide nur die Hälfte der typischen Zahl er⸗ 
halten. Diese Reduktionei) hat offenbar den Sinn, eine ständige Summa— 
20) Vgl. P. Buchner über Keimbahn, Ovo- und Spermatogenese in Sestschr. 
f. R. Hertwig J (1910). Von Interesse sind die Tatbestände besonders für die Frage 
nach der Kontinuität des Keimplasmas (s. u.). 
21) Übrigens wird von Häcker bezweifelt, ob eine wirkliche Reduktion vorliegt; 
es könnte auch eine scheinbare Halbierung der Zahl der Chromosomen vorliegen, 
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