Full text: Natur und Gott

492 Das Leben und seine Formen. 
tieren, und zwar vornehmlich im Bereiche des peripherischen Nerven— 
systems. Dagegen fehlen bei hHydroidpolypen Zentralorgane noch völlig; 
das ganze Nervensystem ist hier nur ein Geflecht von gleichartigen Ner— 
venzellen. So ergibt sich die Auffassung, daß aus diesem primitiven Zu— 
stande die höheren Entwicklungsformen durch Arbeitsteilung entstanden 
sind, indem gewisse Zellen zu Ganglienzellen d. h. zu Werkstätten einer 
zentralen Tätigkeit wurden, während die übrigen Zellen des Geflechtes 
zu Leitungsbahnen wurden. Die Ganglienzellen der genannten Tier— 
stämme haben noch einen sehr einfachen Bau, indem sie meist nur einen 
starken Neuriten entsenden, doch sind schon hier Fibrillen als die eigent⸗ 
lichen Elemente nachgewiesen. Vom Nervensystem der Wirbeltiere sind 
sie indes, wie sich im Verlaufe des Streites über die Neuronentheoriero) 
ergeben hat, in einer wichtigen Beziehung unterschieden. Diese Theorie 
faßt jedes Neuron d. h. jede Ganglienzelle mit ihrem System von Aus— 
läufern als eine histologische Einheit auf, so daß alle Ausläufer Bil— 
dungsprodukt der Ganglienzelle allein sind; entsprechend wird das 
Neuron als selbständiges Ganzes aufgefaßt und die Annahme einer 
organischen Eingliederung oder Einmündung Enastomosierungh von 
Ausläufern in ein anderes System verworfen; es besteht also kein kon⸗ 
tinuierlicher Zusammenhang der Neurone, sondern die Erregungszustände 
springen von dem Ausläufer eines Systems auf den benachbarten eines 
andern Systems über. Die Gegner der Theorie nahmen dagegen für die 
Neuriten der peripheren Nervenfasern Erzeugung durch besondere 
Neuroblasten an und behaupteten einen stetigen Zusammenhang der 
Neurone. Inzwischen kann die Theorie für die Wirbeltiere als erwiesen 
geltentso). Dagegen hat man bei vielen Wirbellosen Nervenbildungs— 
fasern in den Verlauf der peripheren Nervenfasern eingefügt gefunden; 
auch ein Netzwerk anastomosierender Neuroblastenisi) und ein kontinuier— 
licher Zusammenhangis?) hat sich mehrfach aufweisen lassen. Die Neu— 
rone der Wirbeltierklasse zeigen also eine höhere Differenzierung 
als die der Wirbellosen. Noch ein weiterer Umstand weist auf die 
fortschreitende Differenzierung des Sentralnervensystems; Nervenzellen 
mit verästelten Ausläufern sind von Anfang an durch den ganzen Körper 
oder doch gewisse Schichten verbreitet, aber bevorzugt ist die Oberhaut 
des Körpers (Ektoderm), die den Verkehr mit der Außenwelt vermittelt 
und daher die Sinneseindrücke empfängt. Bei Korallen und hroid⸗ 
10) Val. E. Becher, Gehirn und Seele 1911. Erwiesen ist aber die Neubil⸗ 
dung von Neuronen während des Lebens (E. Agduhr 1920). 
180) Vgl. oben S. 439. 181) Bei Mednsen und Chaetognathen. 
182) Bei Nematoden.
	        
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