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X Einführung.
ken will, erträglich bleiben, sobald er es fertig bringt, in innerer Ge—
schlossenheit Gott und Natur zu erleben und in seinem Handeln zu ver—
binden.
Es ist bereits ein umfassender Kreis schwieriger Fragen, die wir
uns stellen mußten, aber noch dürfen wir nicht aufhören. Es zeigte sich
uns ein zentrales Problem, wo wir zu sicherem Urteil kommen müssen,
wenn nicht unser ganzes Unternehmen vergeblich bleiben soll; es zeigte
sich eine Fülle von offenen Fragen; es zeigte sich eine Verbindung natur⸗
wissenschaftlicher Crkenntnis und religiöser Ideale als erstrebtes öiel,
aber noch fehlt uns etwas Wesentliches. Wir fanden zwar die Natur—
erkenntnis wie ein Bleigewicht den freien Flug des Geistes beschweren
und herabziehen, aber das besagt noch nichts für ein inneres und not—
wendiges Verhältnis beider. Damit sehen wir uns auf eine Frage des
inneren Erlebens hingewiesen, auf die Bedeutung, welche die Natur—
anschauung für das religiöse Erleben und für die Entfaltung der Keli—
gion besitzt. Schleiermachers Reden über die Religion würdigen die Na—
tur nur als Vorhofes) der Religion; ihre eigentliche Heimat ist die Ge—
schichte der Menschheit. Auch die spätere theologische Forschung hat
diesen Grundansatz nicht verändert. Ob wir uns aber dabei beruhigen
dürfen, ist die Frage, die nach den voranstehenden Ausführungen nicht
ohne weiteres bejaht werden darf. Gewiß steht im Christentum die Ge—
schichte im Mittelpunkt des Glaubens, aber seine Anschauung von Gott
und der Welt, vom Menschen und seiner Bestimmung ist mit Naturan—
schauung unlösbar verwachsen. Man mag meinen, das seien für uns
Kinder später Zeiten unlesbare Hierolyphen, so wird man doch nicht
den Versuch aufgeben dürfen, sie zu entziffern. Uns um die religiöse
Naturbetrachtung zu kümmern, dazu zwingt auch die heutige Religions—
wissenschaft. Denn sie kennt keine Religion, die sich nur mit der Geschichte
des Menschen beschäftigte; jede ist mehr oder minder mit Naturanschau—
ung gesättigt; fast scheint es, als könne Religion überhaupt nicht auf Na—
turbetrachtung verzichten. Aber nicht nur Menschen vergangener Tage oder
heutige auf zurückgebliebener Stufe geistiger Entfaltung vermögen mit
der Natur religiös etwas anzufangen; auch für einen Goethe und sein
ganzes Streben steht die Natur ebenbürtig neben der Geschichte, fast
steht sie voran. Wir werden prüfen müssen, in welchem Umfange diese
Auffassung bei dem heutigen Stande der Erkenntnis von Religion und
Natur sich bewährt. Damit haben wir aber zugleich einen brauchbaren
Ausgangspunkt für unsere Untersuchung gewonnen, denn in ihrer Na—
23) Worüber allerdings schon Fr. Schlegel ihn getadelt hat. (Ogl. W.
Dilthey, CLeben Schleiermachers, hrsg. v. H. Mulert, J 1922 85. 473).
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