524 Der Mensch im Lichte der Naturwissenschaft.
nehmungen, wie es scheint, vornehmlich des Geruchssinnes, gebunden.
Analoges gilt für die Brutinstinkte und die Brutpflege. 3. B. erweckt
der Anblick der Cier das Begehren zum Bebrüten derselben. Fütterung
der Jungen findet sich außer bei höchst entwickelten Insekten wohl nur
bei Vögeln und Säugern; hier zeigt sich auch gemäß dem längeren Bei—
sammensein ein Gefallen am Kinde und eine Mutterliebe, die in dem
aufopfernden Schutze der Jungen und in der Angst und Trauer um ihren
Verlust unverkennbaren Ausdruck gewinnt. Daß manche Tiere in eine
nahe Verbindung mit Organismen ganz andrer Ordnung treten, be—
weist die Symbiose des Einsiedlerkrebses mit der Seerose, das Schutz—
suchen der Garneele beim Polypen, das Verhältnis des Lootsenfisches
zum Haifisch usw.; Schutzbedürfnis auf der einen, Nahrungsbedürfnis
auf der andern Seite pflegen die Triebfedern der Vereinigung zu sein.
Unter Umständen suchen schwache, namentlich jüngere Tiere Hilfe bei
stärkeren; das flehende Schreien der jungen Tiere entwickelt sich offen—
bar aus dem Schreien des Kindes nach der Mutter und ruft evtl. die
mütterlichen Instinkte auch eines Tieres andrer Art wach. Auch Treue
mancher Vögel gegen den andern Gatten ist beobachtet, ebenso ein fast
heroisches Treueverhalten von hunden gegen ihre Herren. Kamerad—
schaftliche Instinkte zeigen sich in der gemeinsamen Ausführung von
Überfällen, die man schon bei Gliedertieren beobachtet haben will. Bei
hundartigen Kaubtieren wie Wölfen und Schakalen kommen bereits
komplizierte Handlungen vor, die reiche Erfahrungen voraussetzen. Be⸗
kannt sind die Staatenbildungen mancher Tiere, die auf sehr differente
soziale Instinkte, z. T. selbst auf organische Unterschiede der Gruppen
innerhalb der gleichen Art zurückweisen“).
4. vergleich des menschlichen Seelenlebens mit dem tierischen.
Das stärkste Interesse der Forschungen über das Seelenleben der
Tiere liegt darin, ob sie etwas für die Erkenntnis der Vorstadien bzw.
der frühesten Stadien des menschlichen Seelenlebens zu lehren ver—
mögen. Ohne Frage ist auch das Innenleben des Menschen durch ein
Ineinandergreifen von Unbewußtem und Bewußtem charakterisiert.
Daß der Mensch nicht nur durch bewußte Zwecke in seinem Handeln ge—
leitet wird, ist bekannt. Niemand denkt sich, wie Friedr. Paulsen gele—
gentlich) ausführt, sein Leben im voraus aus, um dann die vortreff⸗
714) R. Rosen, Brutpflege u. Elternfürsorge 12; P. Kropotkin, Gegenseitige
hilfe in d. Entwicklung 08. Ub. Tierstaaten u. Tiergesellschaften H. E. Ziegler
Handwörterbuch d. Naturwiss. Bd. 9.
72) Einleitung in die Philosophie, 3. Aufl. 8s. 121.