Full text: Natur und Gott

526 Der Mensch im Lichte der Naturwissenschaft. 
immer stärkerer Ausbildung seine intellektuelle Kultur beruht. Die Be— 
ziehung zwischen dem Hammer und dem Ausbessern der Tür muß der 
von Claparede beobachtete Affe schon erfaßt haben's); auch daß Tiere 
unter Umständen sich der von der Natur dargebotenen Waffen zu be— 
dienen verstehen, wird bezeugt, aber nie geht das Interesse so weit, um 
über den Hugenblick hinaus sich eine Waffe bereitzustellen. In der vor— 
sorglichen Beschaffung künstlicher Werkzeuge, und mögen sie auch nur 
aus bestimmt ausgesuchten oder hergerichteten Feuersteinsplittern be— 
stehen, zeigt sich eine Fähigkeit des Abstrahierens vom unmittelbaren 
Bedürfnis, wie sie beim Tiere nie beobachtet ist. Der gleiche Abstand 
zeigt sich in der Sprache. Häckel hielt es für ausgemacht, daß „unsere 
hochentwickelte Begriffssprache sich langsam und stufenweise aus der un— 
vollkommenen Lautsprache unserer pliozänen Affenahnen entwickelt hat“. 
Aber das ist eine Naivität. Auch R. S. Garner'e), der namentlich mit dem 
Kapuzineraffen sich eingehend beschäftigt hat, hat nur unartikulierte 
Caute der Affen nachzuweisen vermocht, die als natürliche Zeichen ihrer 
Affekte etwa den Wert von Interjektionen haben, auf die andre Tiere 
den Umständen gemäß reagieren; dagegen vereinigt schon das kleine 
Kind instinktiv Vokale und Konsonanten zu artikulierten Silben. Mor— 
gan') unterscheidet ein bloß anzeigendes und ein beschreibendes Mittei— 
lungsvermögen; erst letzteres setzt begriffliches Denken voraus und fehlt 
dem Tiere. In dem ersten kann die Außerung bestimmter Gefühlszu— 
stände und die Anzeige bestimmter Objekte, deren Wahrnehmung den 
Gefühlszuständen zugrunde liegt, unterschieden werden. Dieser Stufe 
entspricht nach Morgan und andern Forschern das Mitteilungsvermögen 
der Affen; es ist ein rein instinktiver Ausdruck von Lust, Schmerz, Sorn, 
ein Hinweis auf Futter, Gefahr, Langeweile, Zorn, Enttäuschung. Ge— 
wiß läßt sich annehmen, daß unwillkürliche wie absichtlich gebrauchte 
Töne eine Grundlage der menschlichen Sprache gebildet haben. Noch 
heute spricht das kleine Kind, im Zustande starker Erregung auch der Er— 
wachsene, in abgebrochenen Worten oder Lauten's), die neben starken 
Affekten die Gegenstände nur andeutend, „deiktisch“ bezeichnen. Aber 
auch die primitivste Sprache ist von bloßer Lautsymbolik durch die artiku— 
10) Zahlreiche Beispiele analoger Art bei Wo. Röhler a. a. O. 
16) Die Sprache der Affen, deutsch v. W. Marshall 00. 
) A. a. O. 8. 240 ff. 
78) Es würde eine lohnende Aufgabe sein, unter sprachpsychologischem Ge— 
sichtspunkt die Berichte über die Glossolalie (pgl. darüber Eod. Mosiman 11; h 
Rust 21) durchzuarbeiten, die freilich, weil nicht gleichzeitig auch die Ausdrucks— 
bewegungen fixiert werden konnten, ein vollständiges Bild nicht zu liefern ver— 
mögen.
	        
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