Full text: Natur und Gott

538 Der Mensch im Lichte der Naturwissenschaft. 
Sphäreioo) auszugehen, weil hier der Boden schon am meisten gesichert 
ist und die Verhältnisse relativ einfach liegen. Seit Fritsch und Hitzig 
1870 auf der Oberfläche gewisser Windungen eine Anzahl fest um— 
schriebener Regionen entdeckten, deren elektrische Reizung Bewegungen 
in ganz bestimmten Muskelgruppen der entgegengesetzten Körperhälfte 
hervorruft, ist eine gewaltige Arbeit aufgewendet mit dem Erfolge, daß 
man jetzt eine große Anzahl der motorischen Zentren kenntrot), die die 
Muskulatur der Extremitäten, des Kumpfes und des Kopfes beherrschen 
und nach Wunsch in Bewegung setzen oder (durch Erregung der sog. 
Antagonisten) hemmen. Durch starke Keizung dieser Zentren kann man 
konvulsivische Bewegungen, „epileptische“ Anfälle erzeugen, durch Che⸗ 
mikalien die Zentren selbst erregen oder dämpfen; daß sie, wie alle Ner— 
venzentren, der Blutzirkulation und der Oxydation bedürfen, um richtig 
zu funktionieren und daß bei ihrer Betätigung „Funktionsströme“ eine 
wichtige Kolle spielen, sei nochmals in die Erinnerung gerufen. Die „vor⸗ 
dere Zentralwindung“, in der (nach Untersuchungen an Orang, Gorilla, 
Schimpanse) diese Zentren gelegen sind, ist durch das starke Vorhanden⸗ 
sein von Riesenpyramidenzellen besonders ausgezeichnet, wie sie auch 
der zum Rückenmark herabführenden Hauptbahn eignen. In jeder Spe— 
zialzone finden sich dicht aneinander gereihte Reizungspunkte, von denen 
aus man einzeln alle Stellungen hervorbringen kann, aus denen sich 
successiv eine Bewegungsfigur aufbaut, z. B. Biegen des Daumens, 
Streckung des Zeigefingers in der für die Bewegung notwendigen Ab— 
stufung. Die einzelnen Herde sind so angeordnet, daß die Cinzelgriffe, 
aus denen sich eine Bewegung aufbaut, ihre Kepräsentation in benach— 
barten Erregungspunkten und in möglichst zweckmäßiger Anordnung be— 
sitzen, so daß bei erteiltem „Befehl“ sich alles automatisch, bis ins Ein— 
zelne geregelt, in zentrifugaler Richtung abspielt. Man sucht auch bereits 
nach Schaltzellen, welche als „natürliche Clektroden“ fungieren können. 
Die beschriebene Zone ist die zentrale Ursprungsstätte fein ausge— 
glichener Bewegungen, aber die einzige zentrale Ursprungsstätte von 
Bewegungen ist sie nicht; man muß vielmehr jede engere Kepräsen⸗ 
tationsstelle eines Sinnesorgans mit motorischen Reizpunkten eng ver— 
Einführung in die Lehre vom Bau und den Verrichtungen des Nervensystems, 17. 
Vorlesung. 
too) Die genaueste graphische Darstellung bei Vogt a. a. O. S. 438 f. 
101) Vgl. namentlich Ramon y Cajal, Studien üb. d. Hhirnrinde des Menschen, 
heft 124. 1900/03. — Korb. Brodmann, Vergleichende Lokalisationslehre der 
Großhirnrinde 09. — Derselbe, Physiologie des Gehirns Meue deutsche Chirurgie 
XI) 14. — C. u. O. Vogt, Allgemeinere Ergebnisse unserer Hirnforschung (Jour⸗ 
nal. f. Psiuchol. u. Neurologie Bd. 25) 19. — E. Becher, Gehirn u. Seele 11. 
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