Full text: Natur und Gott

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Die zentralen Sinnes- und Sprach-Apparate. 551 
mnöglich werden; die erlernte Buchstabenschrift kann er natürlich nicht 
nehr lesen (Alexie); das optische Wortbild ist verloren gegangen. Nicht 
selten treffen hemianopische Sehstörungen in einem Felde mit Seelen— 
blindheit in einem andern zusammen. Es sind nicht lokale Herde, son⸗ 
dern weitreichende Defekte, die Seelenblindheit herbeiführen. Man muß 
daraus folgern, daß es sich um eine sehr komplexe seelische Störung han— 
delt; sie auf die Vernichtung von Vorstellungen bzw. ihren optischen 
Residuen zurückzuführen, berechtigen uns die Phänomene nicht ohne 
veiteres; die Auffassung der Wörter oder optischen Gestalten als ein— 
heitlicher Ganzen kann gelitten haben; es können die Assoziationen, die 
das Verständnis für die Bedeutung des Objekts vermitteln, unwirksam 
geworden sein; es können auch die dem einzelnen optischen Reiz oder 
ganzen Reizkomplexen entsprechenden Gedächtnisresiduen mehr oder 
minder funktionsunfähig geworden sein. Namentlich geht die Bedeutung 
der assoziativen Verknüpfung daraus hervor, daß sich mit der Seelen⸗ 
blindheit eine Herabsetzung der Einprägungsfähigkeit von Gesichtsein— 
drücken, eine Unfähigkeit zur Erzeugung optischer Vorstellungsbilder 
verbindet, wie auch Schädigungen des Sehorgans meist vorhanden sind. 
Das Interesse dieser pathologischen Fälle liegt vornehmlich darin, 
daß es sich hier nicht um Störungen der Empfindungs-, sondern der 
eproduktionsfähigkeit handelt, also um kompliziertere geistige Funk— 
tionen. Die Tatsachen fordern die Annahme, daß neben Empfindungs-⸗ 
feldern d. h. zentralen Herden für die Entstehung visueller Empfindun— 
gen auch Erinnerungsfelder bestehn, die sich nicht völlig mit jenen 
decken können. Die den Empfindungen zugrunde liegenden Erregungen 
müssen sich weit über das Feld hinaus fortpflanzen, um in den angren— 
zenden Bezirken Gedächtnisresiduen hinterlassen zu können; umgekehrt 
zeigt schon die tägliche Erfahrung, daß die auf Grund jener Residuen 
erzeugten Vorstellungen gewöhnlich die Empfindungsfelder nicht beein⸗ 
flussen. Gleichwohl müssen dauernde Beziehungen bestehn; Vorstellungs⸗ 
bilder von besonderer sinnlicher Deutlichkeit legen eine gewisse aktive 
Beteiligung der Sinnesfeider nahe. Auch mögen die starken individuellen 
Abweichungen, die hinsichtlich der Lebhaftigkeit der Vorstellungsbilder 
bestehen, histologisch fundiert sein. Daß ebenso Beziehungen zu moto— 
rischen Feldern angenommen werden müssen, ist schon früher ausgeführt. 
Was hier für die Sehrinde gezeigt werden konnte, wo die Verhältnisse 
besonders deutlich erkennbar sind, wird in gehöriger Differenzierung 
auf alle Sinnessphären anzuwenden sein. 
Einen sehr lehrreichen Emblick in die komplizierten Abhängig keits⸗ 
verhältnisse der geistigen Funktionen von dem Gehirnrindenapparat ge⸗
	        
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