Full text: Natur und Gott

578 Der religiöse Wert des naturwissenschaftlichen Weltbildes. 
macht noch kein Ganzes; aber ohne ein gewisses Ebenmaß der Struktur 
und eine Gleichförmigkeit des Stoffes, aus dem es sich aufbaut, kann es 
kein Ganzes geben. Zum Ganzen gehört ferner die Wechselwirkung der 
Teile und auch diese ist in der Welt realisiert. Auf zehntausende von 
Cichtjahr⸗Entfernungen senden uns die Sterne ihr Licht zu und jedes 
Atom selbst des Erdinnern wirkt gravitierend bis in unermeßliche Ser— 
nen. Wie das zugeht und insbesondere die Natur des vermittelnden Me⸗ 
diums, des Weltäthers, ist unbekannt; alle Annahmen darüber sind zur 
Zeit durchaus hypothetisch und umstritten. Daß aber der Raum nicht 
„leer“ sein kann, zeigen die Tatsachen so deutlich, daß darüber kein 
‘treit besteht. Die Entfernungen der Weltkörper sind zwar für uns un— 
überwindlich, hindern aber keineswegs ihre stete und unmittelbare 
Wechselwirkung. Wie groß diese ist, sehen wir an den gewaltigen Kraft— 
mengen, die uns stetig von der Sonne zugestrahlt werden. Wie das Welt— 
sinstem, so bildet jeder Stern und jeder Planet seine eigne Welt, ein 
eigenes in weiten Grenzen unabhängiges, aber doch nur im Zusammen⸗ 
hange und in der Wechselwirkung mit andern bestehendes Ganzes. Die 
gleiche, durch das Ganze begrenzte Selbständigkeit zeigt die Welt der 
Atome, von denen jedes seine eigne Art und Größe besitzt, aber durch 
eine Anlage, insbesondere durch seine äußern Elektronen (wie durch 
Fangarme) zur Cinwirkung auf andre befähigt ist und durch den Zu— 
stand seiner Umgebung ebenfalls intensiv beeinflußt wird. Wenn wir 
unter einem Individuum eine ursprüngliche und eigenartige Einheit, 
unter einem Ganzen aber eine aus vielen Individuen aufgebaute und 
in ihrer gesetzmäßigen Wechselwirkung sich darstellende Einheit ver— 
stehen, nicht aber tiefere Beziehungen in die Worte hineinlegen, so sind 
wir berechtigt, die physikalischechemische Welt unter beiden Gesichts⸗ 
punkten aufzufassen. 
2. das Naturgesetz. 
Auch der Begriff des Naturgesetzes gewinnt in der heu— 
tigen Physik eine neue Beleuchtung. Man kann an diesem Begriff zwei 
Seiten unterscheiden, die logische Beziehung, die weiterhin mit erkenntnis⸗ 
cheoretischen Fragen in Zusammenhang steht und die empirisch-natur— 
wissenschaftliche. Die logische Idee eines gesetzmäßigen, auf Ursache und 
Wirkung beruhenden Verlaufs der Ereignisse ist durch die neue Physik 
selbstverständlich nicht irgendwie tangiert, nur noch strenger und folge— 
richtiger durchgeführt worden. Von ihr soll jetzt noch nicht geredet 
werden, sondern nur von der empirischen. Daß sämtliche Naturgesetze 
eine empirische Grundlage besitzen, ist heute allgemein herrschende An— 
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