Full text: Natur und Gott

Der Gesamteindruck von den Wundern der organischen Welt. 593 
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Die dringliche Frage, die sich hier erhebt, geht dahin, ob neben 
der wissenschaftlichen Erkenntnis noch eine religiöse von dem gleichen 
Dbjekte möglich sei. Die heutige Wissenschaft ist durchaus phänomenal 
eingestellt; daß sie kein „absolutes“ Erkennen bietet, ist ihr sicher. Aber 
ezrkennt sie nicht alles, was überhaupt zu erkennen ist? Würde 
nicht insbesondere der Gottesgedanke, wenn er ein notwendiger, ein 
wirklichkeitsgemäßer Gedanke wäre, die ganze Struktur der Forschung 
verändern und verderben? Indes diese Befürchtung ist grundlos; die 
Scheidung zwischen Wissen und Glauben liegt so sehr im Interesse einer 
ungehemmten Entwicklung beider, daß nicht daran gedacht werden kann, 
sie rückgängig zu machen. Nur regulativ d. h. als Arbeitshypothese 
kann der Gottesgedanke nach wie vor der wissenschaftlichen Erkenntnis 
eine Dienste leisten, d. h. als ein Versuch, die Welt so anzusehen, als 
ei höchste Intelligenz, also höchste Einfalt mit wundervoller Harmonie 
ind Größe, in ihr anzutreffen. Diese Annahme hat schon bisher der 
Forschung wertvolle Anregungen gegeben und wird als Anreiz, immer 
neue, wunderbare Zusammenhänge im Weltganzen aufzuweisen, weiter— 
virken. Aber allerdings beansprucht der religiöse Glaube, mehr zu sein, 
als ein Anreger zur Erkenntnis; er ist sich bewußt, eine Erkenntnis 
eigner Art von der Welt zu besitzen; darum bleibt eine vergleichende 
Analyse des wissenschaftlichen und religiösen Denkens erforderlich, weil 
aur auf diesem Wege untersucht werden kann, ob und wie sich die 
Ligengesetzlichkeit der Natur, welche die in ungezählten Proben stets 
bestätigte Voraussetzung aller Naturwissenschaft bildet, mit ihrer Ein— 
ordnung in eine göttliche Weltordnung verträgt, wohl gar aus ihr 
heraus innerlich begründet und verständlich gemacht wird. Diese Auf— 
gabe läßt sich indes erst in Angriff nehmen, wenn wir unsere Verglei— 
hung von Religion und Naturwissenschaft auch auf dem Gebiete der 
Biologie und der Anthropologie vollzogen haben. 
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4. Der Gesamteindruck von den Wundern der organischen Welt. 
Wir wenden uns den biologischen Wissenschaften zu und fragen nach 
hrem Ertrage für die religiöse Weltbetrachtung. Der Unterschied zwischen 
der naiven Auffassung der Lebenserscheinungen, welche alle Religionen, 
bon den primitiven bis zu den höchsten, voraussetzen und der heutigen 
wissenschaftlichen ist ebenso überwältigend groß, wie wir ihn auf dem 
Hebiete der physikalisch-chemischen Phänomene (die astronomischen ein— 
geschlossen) fanden, und dieser DPeränderung der Wirklichkeit für uns wird 
notwendig die religiöse Betrachtung Rechnung tragen. Was dem naiven 
Menschen am Pflanzenreich auffällt, ist etwa die Pracht, aber zugleich 
Titius, Natur und Gott. 20
	        
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