Full text: Natur und Gott

596 Der religiöse Wert des naturwissenschaftlichen Weltbildes. 
Gleichgewicht organischen Lebens auf Erden ist auch der Mensch ein⸗ 
geordnet, nicht als Despot, sondern, um ein gelegentliches, aber be— 
zeichnendes Wort Schleiermachers anzuwenden, in „republikanischer“ 
Weise, abhängig wie mitbestimmend; seine hervorragende Stellung im 
Ganzen verdankt er der Tatsache, daß er es verstanden hat, seine Aus— 
beutung der Vegetation mit seiner hilfeleistung für sie im Gleichgewicht 
zu halten und durch ein auf gegenseitigen Diensten ruhendes Bundes- 
verhältnis nicht nur mit seinesgleichen, sondern auch mit zahlreichen 
Tieren, eine geschlossene Front zu schaffen, der die andern Wesen in 
ihrer Vereinzelung nicht zu widerstehn vermögen. 
Das Verhältnis zwischen den Lebewesen der Erde ist indes, so 
stark auch die gegenseitige Bedingtheit sein mag, kein rein harmonisches, 
vielmehr bedingt die stets vorhandene starke Spannung zwischen der 
Produktionskraft der Natur und den fest gegebenen Lebensbedingungen 
neben dem allgemeinen „Kampf um das Dasein“, dem oft genug und 
insbesondere für die zahllos ausgestreuten Keime zumeist erfolglos blei— 
benden „Kingen“ nach Realisierung der Lebensmöglichkeiten, auch eine 
wirkliche Konkurrenz, wie sie selbstverständlich an eine gewisse Gleich⸗ 
artigkeit der Lebensbedürfnisse gebunden ist. Inwieweit diese Ver— 
hältnisse bei der stetigen Umgestaltung der Organismenwelt eine Rolle 
pielen, lassen wir jetzt unerörtert; daß sie vorhanden sind und daß so 
alles Leben unter einem mehr oder minder starken Druck steht, der 
ebenso unentrinnbar ist, wie der Druck der auf uns lastenden Atmo— 
sphäre, ist unleugbar. Der Weg, der vom Pflanzenfresser zum Fleisch— 
fresser, zum Raubtier oder Schmarotzer führt, ist damit eröffnet. Schon 
inter den Pflanzen gibt es solche, die auf Assimilierung von Sleisch- 
nahrung (Insektivoren) eingerichtet sind. Man hat die auf Kampf und 
Ausbeutung, ja auf Blut gerichtete Tendenz des Tierlebens nichtselten 
übertrieben, ohne Frage aber ist sie in weiten Grenzen vorhanden. Nicht 
nur die Pflanze wird dem Tiere, auch das Tier dem Tiere geopfert. 
Aber wie zwischen Pflanze und Tier, so stellt sich auch zwischen Tier 
und Tier ein gewisses Gleichgewicht her; es wird in der freien Natur, 
wenn auch vielleicht die Zurückdrängung. so doch kaum die Ausrottung 
eines Tieres durch ein andres beobachtet. Auch der Mensch ist ursprüng— 
lich als ein keineswegs restlos überlegenes Wesen auf diesen Kampf— 
platz getreten. Heute freilich bedeutet er für alle die Tiere und Pflanzen, 
die wider ihn und seine Interessen streiten, eine dringende Gefahr und 
auch unzähligen andern nimmt die stürmisch vordringende Kultur 
eine Lebensmöglichkeit nach der andern. Aber auch ihm erwachsen oder 
verbleiben mitten in höchster Kultur schwer bekämpfbare und furchtbare 
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