682 Naturerkenntnis u. Religion i. Lichte d. Kulturphilosophie.
Gegeninstanzen, im Buddhismus, am schwächsten, bei der hohen Ein—
schätzung der geistigen Kulturwerte und dem Zurücktreten der Eschatolo—
gie, im neueren Protestantismus.
Indes wie nuanciert auch das Urteil sein mag, wo überhaupt eine
religiöse Entscheidung noch gewagt wird, wird die Arxt an die Wurzel
des Kulturbaumes gelegt, der Wert des Lebens selbst und damit zugleich
aller menschlichen Leistungen in Frage gestellt. An diesem prinzipiellen
Punktte erweist sich alle ihrer selbst bewußt gewordene Religion als
antinaturalistisch, den gesamten Naturalismus, den Inbegriff der Wirk
lichkeit, die er kennt, aus den Angeln hebend. Daß Naturalismus im
religiösen Sinne, d. i. Begrenzung auch des Seelenlebens, seiner Sehn—
sucht und seines letzten Zieles auf jene Wirklichkeit, mit der die exakten
Wissenschaften rechnen, und Religion unvereinbare Gegensätze sind, einan—
der bekämpfend wie Wasser und Feuer, ist nicht zu verkennen, und daß
dieser Kampf in der Gegenwart, infolge der selbst im theoretischen Den—
ken verankerten Macht des Naturalismus, ein schwerer sein muß, ist zu—
zugeben. Jedoch fragt sich, ob eine Kritik des Kulturlebens von dieser
Grundlage aus als kulturhemmend bezeichnet werden muß. Man dürfte
das. wenn man nur konsequent denken will, nicht einmal vom natura—
listischen Standpunkte aus behaupten. Denn daß alles relativ sei, daß
es ein Absolutes nicht gebe, ist ja die alte auf dem Gebiete des Natur—
erkennens auch sehr wohl haltbare These des Naturalismus. Nun wohl,
in gewissem Sinne ist eben dies die Behauptung auch der Religion; das
Irdisch-Seitliche ist nur relativ und demgemäß auch nur relativ wert—
voll. In Wirklichkeit freilich ist das die Meinung des Naturalismus nicht;
sein Relativismus ist nur Abwehr der asoluten Wahrheiten und Wirk—
lichkeiten, von denen Religion spricht; aber die Wirklichkeit, die er allein
kennt, wird ihm eben damit die einzige, an die er sich mit allen Fasern
klammert; sie wird ihm praktisch absolut. Dagegen wendet sich nun
die Religion, sie tut es mit unbedingter innerer Notwendigkeit und über—
zeugender Kraft. An der Position der Religion, an ihren Ewigkeits—
verheißungen mag der Zweifel nagen; daß aber ihre Negation (das Ein⸗
zige im Grunde, worüber der Buddhismus verfügt), unerschütterlich ist,
daß der Fluch der Vergänglichkeit an allen irdischen Werten haftet, daß
das Maß nichtigen, inhaltsleeren Treibens, intellektueller Torheit, sitt⸗
licher Verkehrtheit auch in der heutigen Rulturgesellschaft so übervoll
ist, daß einen wohl der Ekel daran anwandeln kann, wird kein Einsich—
tiger bestreiten wollen.
Wenn nun zweifellos alle Wahrheit, so grausam sie klingen mag,
nur segensreich wirken kann, so muß die religiöse Predigt von dem re—