Full text: Natur und Gott

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Inspiration und Offenbarung als Quellen religiöser Erkenntnis. 689 
tung, wollen gesicherte Erkenntnis eines Wirklichen geben, die nicht auf 
den Wegen der exakten Methoden oder des reinen Denkens erreichbar 
ist. Aber von diesen Arten des Erkennens und Wissens hebt sich die 
religiöse allerdings eigenartig ab. Ob und inwieweit die künstlerische 
Anschauung (abgesehn von der subjektiven Wirklichkeit, die sie im schau— 
enden Künstler oder in dem Reproduzierenden besitzt), nur Ideelles oder 
auch Wirklichkeit schaut, ist nicht so einfach zu entscheiden; die sittliche 
Trfahrung erkennt gewiß Wesenszüge des Menschen und der menschlichen 
Gesellschaft, bezieht sich aber sehr bestimmt und ausschließlich auf dies 
Ssondergebiet; die Keligion beschränkt sich aber weder auf den Menschen 
und sein inneres Wesen noch auf ideelle Wirklichkeit, sondern umspinnt 
das ganze Universum mit einem Netz von Wirklichkeiten, die unzerstör— 
bharer als alle Sinneswirklichkeit und doch (mindestens in der Kegel) 
nur dem Geistesauge schaubar sein sollen. In der lebendigen Keligion 
haftet geradezu alles an diesem unbedingten Wirklichkeitscharakter; wird 
er irgendwie verletzt, so ist damit die religiöse Lebensform vital ge— 
fährdet, und in der Tat ist mit Leichnamen solcher Lebensformen die 
ganze Menschheitsgeschichte angefüllt. Dies seltsame Ineinander von 
Ewigkeitsansprüchen und allzu menschlicher Vergänglichkeit fordert ohne 
zweifel zu größter Vorsicht auf, läßt aber doch zugleich ahnen, daß hier 
wirklich Höchstes und Unzulängliches dicht beieinander wohnen. Unver— 
kennbar bleibt auf alle Fälle, daß Religion einen eignen Weg zu Er— 
kenntnissen von sehr umfassender Art und außerordentlicher Wichtigkeit 
zu bieten beansprucht. 
Fragen wir weiter, auf welchem Wege diese Erkenntnisse gefunden 
werden und wie man sich dessen versichern kann, daß es sich dabei nicht 
um Träume oder Täuschungen handelt, sondern um Erkenntnis macht— 
voller Wirklichkeit, so läßt sich mit Sicherheit zunächst sagen, daß der 
religiöse Glaube nicht auf dialektische Schlüsse nach Art der sog. Gottes— 
beweise oder sonstiger Metaphnsik sich aufbaut; es sind nicht etwa „ewige 
Dernunftwahrheiten“, durch deren Bezeugung sich das religiöse Leben 
rortpflanzt. Allerdings ist dieser Irrtum früh entstanden, weil es bei 
der Verwandtschaft des pneumatischen Lebens mit dem noetischen auch 
Mischformen (namentlich mystischer, aber auch rationaler Art) geben 
hann und gegeben hat. Aber die ganz großen religiösen Persönlichkeiten 
(man denke im Christentum an die Linie von Jesus über Paulus zum 
vierten Evangelisten, an Augustin und die Reformatoren, aber auch an 
den Gegensatz Gautama Buddhas zur Spekulation) sind sich bei aller 
Anerkennung der „Vernunft“ als einer Propädeutik für die KReligion 
über die Autonomie des religiösen Lebens und über die Selbständigkeit 
Titius, Vatur und Gott.
	        
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