Full text: Natur und Gott

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Die Begründung der Glaubensgewißheit. 697 
sicht dessen, das man nicht sieht. Auch wenn die Zeugen des Lebens 
Jesu ihn, das „Wort des Lebens“, mit ihren Augen gesehn, mit ihren 
händen betastet haben, so bleibt doch ihre Erkenntnis seines Wesens 
keine Sache von Fleisch und Blut, sondern göttlicher Offenbarungie). Auch 
einen wissenschaftlich-theoretischen Beweis kann es hier nicht geben; denn 
„beweisen“ hieße immer nur auf Gegebenes zurückführen; das Christen— 
tum auf sonst Gegebenes zurückführen, hieße seine Ansprüche als illuso— 
risch erweisen, weil es eben über alles Gegebene hinaus einen neuen 
Cebensinhalt zu erschließen behauptet. Das Christentum ist stets Hhe⸗ 
roismus, religiös ausgedrückt, Geist aus Gott; auch in seinen schlichtesten 
Wirkungen trägt es den Charakter innerer Erhabenheit und Kraftfülle, 
des von höherer Warte aus Geschauten, aus der Ewigkeit her Gehandel— 
ten; wie alles Prophetische ist es auf den Beweis des Geistes und der 
Kraft gestellt; es kann keinen andern geben, und das Christentum kann 
eine andre Prüfung sich gefallen lassen. Denn christliche Frömmigkeit wird 
dauernd empfunden als im Bruche mit der natürlichen Lebens— und 
Geistesentwicklung angeeignet, nicht aber zustande gekommen als ein, 
Produkt der in ihm herrschenden Motive. Die Vorgänge der Wiederge— 
burt und Bekehrung haben, auch wo sie sich nicht krampfhaft und plötzlich, 
sondern normal und in Stetigkeit vollziehen, von ihrer Paradoxie und 
hrem Gegensatz gegen das natürliche Fleischesleben nichts eingebüßt; 
denn sie ruhen auf dem Erlebnis der unbegreiflichen Liebe Gottes, die 
auch den schuldbeladenen Sünder in sein ewiges Keich aufnimmt. 
Wenn so Natur und Geistesleben als Grundlage des Glaubens ab— 
zewiesen werden, und er doch auch nicht auf sich selbst und seinem freien 
Belieben stehen kann, ohne zur willkürlichen Selbsttäuschung herabzu— 
sinken, so bleibt ihm nur übrig, sich selbst als Tat Gottes in den Men— 
schen zu erfassen. Aber diese Tat vollzieht sich im Glaubenser le b— 
nis des Menschen und muß in ihm sich abspiegeln. Dann aber kann 
offenbar die gläubige Vergewisserung auf nichts anderem ruhen, als auf 
dem Innewerden Gottes, bzw. darauf, daß sich Gottes Geist unserem 
Geiste erschließt. Im letzten Grunde wurzelt jede Fähigkeit, unsichtbarer 
Dinge gewiß zu werden, in unserer (nicht weiter analysierbaren) An— 
lage zu geistigem, persönlichem Leben. Als Personen wissen wir unser 
Ceben nicht nur an die Sinnlichkeit geknüpft, sondern an Ideen und ihre 
Gültigkeit, die wir mit derselben unmittelbaren Gewißheit umfassen wie 
uns selbst, denen aber eine über unser Dasein hinausreichende Bedeutung 
zukommt. So kann uns niemand zwingen, etwas für schön oder gut zu 
halten, sondern unser eignes Gemüt muß ihm Zeugnis geben; umgekehrt 
ic) Joh. 1, 1; vgl. Matth. 16, 17. Joh. 20, 20.
	        
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