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Das Tier in der Religion. 59
Wie sehr dagegen ein Kulturvolk wie das hellenische durch den Tier—
dienst der Agypter, die ihnen sonst als die weisesten der Menschen gal—⸗
ten, befremdet wird, zeigen die gequälten Erklärungsversuche, die Plu—
tarch wiedergegeben hat. Den Griechen galt schon längst das Tier als
tiefstehendes, nur zu ihrem Dienst, ihrer nNahrung oder ihrem Ver—
gnügen bestimmtes Wesen. Demgemäß hatten sie einen Typus der Gott—
heit geschaffen, der nicht mehr naturalistisch war, sondern mehr und mehr
vom Menschen und seinen Idealen erfüllt wurde, und analoge Tendenzen
lassen sich überall in weitestem Umfange beobachten. Der prophetischen
Keligion erschien es vollends als äußerstes Zeichen gottentfremdeter
Versunkenheit in sinnliches Wesen, daß man Gott als Geflügel, Vier—
füßler oder Kriechtier abgebildet habe; schon der Gedanke schien jüdi—
schen Theologen befremdlich, daß sich das Gottesgesetz mit dem Wohle
des Ochsen beschäftigt haben solltess).
Von dem primitiven Denken bis zu solchen sublimen Ideen war
ein weiter Weg; der Zwischenstadien sind viele. Man konnte der Gott—
heit menschliche Gestalt geben, ihr aber einen Rest des Tierischen be—
lassen, wie es so viele ägyptische Göttergestalten zeigen; man konnte das
Tier als gelegentliche Verkörperung des Gottes gelten lassen, ein Ver—
fahren, das viele griechische Mythen zeigen, das aber auf indischem Ge—
biete in den früheren Geburten des Buddha und den Inkarnationen des
vishnu eine besonders virtuose Verwendung gefunden hat. Dabei kann
es im Volksleben noch eine große und selbständige Bedeutung behalten,
wie im japanischen Fuchsglauben“), oder es können ihm Kräfte, etwa
der Weissagung, beigelegt werden, wie dem schnaubenden und wiehern—
den Streitroß. Um seiner Schnelligkeit willen wird es mit dem Sonnen⸗
gott, aber auch mit dem Winde und den Wogen (bzw. Wassergöttern) in
enge Beziehung gebracht. Auf weißen (Cicht-) Rossen sprengen die Un—
terblichen einher, und es galt als Eingriff in die Herrlichkeit des Son⸗
nengottes, einen Schimmel zu reitens). Noch in Apc. 19, 11. 14. be—
gegnet uns die gleiche Symbolik. Ein gutes Beispiel bietet auch die
Taube; die graue Taube galt ebenso wie der Rabe als Unheil verkün—
20, 23); derselbe Klageruf in 13, 49, wo aber der Kranke sich ein Gewissen über
etwaige rituelle Verstöße macht. „Ich bin ja kein Mensch mehr, daß ihr mir etwas
zu erzählen braucht“, ruft ein sterbender Häuptling seinen davongehenden Leuten
zu (20, 8).
13) Vgl. Röm. 1,23 und 1. Kor. 9,9 f.
14) Witte, Die ostasiatischen Kulturreligionen 1922, 8. 131.
485) hehn, a. a. O. S. 32 ff. auch 2. Uönige 23,11 sowie die germanische
und Flavische Mythologie.