Full text: Natur und Gott

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Konkurrenz des religiösen u. des wissenschaftlichen Weltgedankens. 755 
ohne denkendes Erfassen des göttlichen Wirkens? Nicht ein RKuhekissen für 
Geistesträgheit ist das göttliche Mysterium, sondern ein Antrieb, in seine 
Tiefen immer erneut und immer mehr einzudringen, um die gewonnene 
Erkenntnis in eigner Tat zu verwerten; aber das Letzte bleibt die Ge— 
wißheit, daß alle Erkenntnis und Tat letztlich Gabe ist, das Ruhen in 
dem geheimnisvollen „Wohlgefallen“ des Vaters. 
Aus den bisherigen Betrachtungen heraus können wir die Probleme 
zu lösen versuchen, die sich aus der Begegnung und Konkurrenz religiöser 
und naturwissenschaftlicher Gesichtspunkte ergeben. Wir haben früher 
gesehen, von welch' fundamentaler Bedeutung die ersten Anfänge der 
Erkenntnis der in der Welt herrschenden Gesetzmäßigkeit und Ordnung 
für die Entwicklung der Religion geworden sind. Bis in die Zeit der 
Aufklärung hinein wurden die Sortschritte der Naturerkenntnis gerade 
von den bahnbrechenden Geistern als eine Bestätigung und Festigung des 
Gottesglaubens empfunden. Indes beginnt sich gleichzeitig in steigen— 
dem Maße eine Konkurrenz beider Gedanken zu äußern und der Gottes— 
gedanke scheint gegenüber dem reinen Gesetzesgedanken abdanken zu 
müssen; selbst ein Fichte will alles streichen, was über den Gedanken einer 
moralischen) Weltordnung in ihm enthalten ist, insbesondere den Per— 
sonalismus. Indes läßt sich zeigen, daß hier eine Überspannung des 
Gesetzesbegriffs vorliegt, die weder religiös erträglich noch wissenschaft— 
lich haltbar ist. Ohne Frage ist der Gedanke des gesetzmäßigen Waltens 
Gottes jeder über den Zauber- und Dämonenglauben hinausgewachsenen 
Keligion unentbehrlich und unsere heutige Geisteswelt einschließlich der 
sittlichen Verpflichtungen und religiösen UÜberzeugungen beruht auf dem 
Grundpfeiler der Unwandelbarkeit und Unverbrüchlichkeit der göttli— 
chen Willensentscheidungen. Aber wenn wir fragen, ob in der unwider— 
stehlichen Allgewalt eines stetigen geistigen Willens, der seine bestimmte 
Zielrichtung unabänderlich durchsetzt, schon die Lebendigkeit Gottes, wie 
sie der Glaube auffaßt, voll dargestellt sei, so müssen wir das verneinen; 
unserer Lebendigkeit werden wir vielmehr am unmittelbarsten und sichers 
sten inne in unserer Freiheit. 
Wer nun hinsichtlich der Willensfreiheit des Menschen determini— 
stisch denkt, wird auch den Gedanken einer freien Selbstbestimmung Gottes 
konsequent ablehnen können. Wer dagegen durch die Ideen der Verant— 
wortlichkeit, Schuld und Strafwürdigkeit innerlich bezwungen, eine freie 
Bestimmung von innen heraus mit mehreren Möglichkeiten anerkennt, 
der wird auch Gott gegenüber die Berufung auf die allgemeine Gesetz— 
mäßigkeit nicht für durchschlagend erachten können. VDielmehr erweckt ge— 
rade die Beziehung Gottes auf Sünde und Schuld des Menschen und der 
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