760 Abschließende Ergebnisse und letzte Fragen.
von streng logischer Art und rein empirischem Gehalt, so besteht prin⸗
zipiell keine Konfliktsmöglichkeit mehr, denn die Keligion muß, wie ge—
zeigt, ihrem Wesen nach das Wirkliche stets gelten lassen. Wir haben
bereits gesehen, daß die Wendung zur reinen Empirie in der Naturwissen⸗-
schaft voll im Gange istie); auch die Logik ist heute an der Arbeit, die
Überspannung des Wertes der logischen Form, als ob sie ein Mittel sein
bönnte, absolut geltende Sätze von positivem Inhalt aufzustellen, zu kor—
rigieren. Der spezifisch logische oder theoretische Gehalt des Erkennens
wird immer schärfer von dem Alogischen oder Irrationalen in Natur und
Geistesleben gesondert. Der konstitutiven logischen Form wird zwar uni⸗
versale Anwendbarkeit und herrschaft zuerkannt, aber sie bedeutet nichts
als eine Stempelung oder Bestätigung des sinnlichen oder unsinnlichen
Etwas durch das Prädikat des Seins, der Cristenz oder Objektivität, das
ihm beigelegt wird. Alle logischen Einzelformen sind in ihrer Beson—
derheit bereits durch das Material bestimmt, und dies bleibt in gewissem
Sinne unbegreiflich und mysteriös, so daß alle Sätze der Erkenntnis gleich—
mäßig irrational und rational (oder wenigstens rationabel) lautenn). Je
empirischer aber der Empirismus bzw. Phänomenalismus der heutigen
wissenschaft sich selbst in seinem Wesen erfaßt, desto weniger wird er
der Ergänzung durch eine absolute Betrachtungsweise, welche ihn für das
Gebiet des Endlichen in seinem vollen Kechte beläßt, widerstreben können.
4. die Idee der Ganzheitskausalität als Bindeglied zwischen religiöser
und wissenschaftlicher Auffassung.
Wir fanden, daß bei aller Eigenart und Selbständigkeit der religiösen
Gedankenbildung diese doch inhaltlich durch die strengere Herausarbeitung
der Idee des natürlichen Zusammenhanges aller endlichen Dinge sich be—
fruchten ließ, indem gewisse der religiösen Betrachtung von jeher eignen
Gedanken von der Solidarität des Einzelnen mit dem natürlichen Lebens—
ganzen dadurch zu weiterer Entfaltung angeregt werden. Es fragt sich,
ob gleiche Anregungen bei aller Autonomie der Naturwissenschaften auch
auf ihrem Gebiete seitens der religiösen Betrachtungsweise zu erwarten
sind. Als das Eigentümliche dieser letzteren ergibt sich, wenn wir von
der Beziehung auf transzendente Größen, wie Gott und sein ewiges Reich,
die in eine rein phänomenale Betrachtungsweise nach Art der naturwis—
senschaftlichen nie eingehen können, gänzlich absehen, nur die teleologische
Beziehung. Gerade gegen diese, die in den Anfängen der neueren wissen—
14) Pgl. oben Abschnitt IIISV.
185) Mit besonderer Schärfe sind diese Gesichtspunkte bei Lask herausgearbeitet.
Vgl. Gesammelte Schriften I 69f., 129. 221f.