Full text: Natur und Gott

7602 Abschließende Ergebnisse und letzte Fragen. 
neut Sinnvolles zu entdecken, die kräftigste Anregung. Sinnvoll (im 
ästhetischen Sinne) kann schon die nach einfachen Gesetzen gebildete Form 
oder die in rhythmischer Kegelmäßigkeit gestaltete Bewegung sein; sinn— 
voll in höherem Grade ist das einheitliche Naturganze; die Gestaltung 
eines Ganzen nennen wir zweckmäßig, ohne hier im einzelnen Zwech 
und Mittel auseinanderzuhalten. Das Naturganze kann aus kleineren 
Ganzen bestehen und in ein Ganzes höherer Ordnung eingefügt sein, 
schließlich in das Ganze des Universums. Indem relative Selbständigkeit 
des Ganzen und relative Unterordnung unter ein höheres Ganzes un⸗ 
terschieden werden, können wir zu einer rein wissenschaftlichen Naturbe— 
trachtung gelangen, die gleichwohl der religiösen Weltbetrachtung in ge⸗ 
wissem Maße verwandt ist. Auch unter der Vorherrschaft der mechanisti⸗ 
schen Betrachtungsweise ist die lebensvolle Gesamtauffassung der Natur 
nie verloren gegangen, wenn auch zurückgedrängt; die heutige Forschung 
ist, wie wir sahents), der Anerkennung eines eigenen Bereiches der Ganz— 
heitskausalität wieder günstiger gestimmt. In dem Maße, als sie sich 
erneut durchsetzt, werden Naturerkenntnis und religiöse Naturbetrachtung, 
ohne ihre Eigenart aufzugeben, wieder mehr aufeinander abgestimmt 
sein und zusammenklingen als in der letztverflossenen Cpoche. Es wird 
dann vielleicht möglich werden, wie einst zur Zeit naiver Naturbetrach— 
tung, in dem Leben der Natur tiefe Analogien zu dem höheren Leben des 
Geistes zu entdecken und ihr neue Symbole der religiösen Wirklichkeit 
abzulauschen. 
Von Ganzem und Ganzheitskausalität läßt sich, wie wir früher dar— 
legten, wenn auch in gewisser Beziehung diese Begriffe schon im Gebiete 
der anorganischen Natur angewendet werden können, in vollem Sinne 
erst im biologischen und psychologischen Bereiche sprechen. Wir mußten 
es mit Rücksicht auf die gewollt phänomenologische Begrenzung der bio— 
logischen Wissenschaft ablehnen, das ausschließliche Kecht, sei es einer 
mechanistischen oder einer vitalistischen Auffassung des Lebens anzuer— 
kennen und das relative Kecht beider sowie die Möglichkeit ihrer Durch— 
führung an den Lebenserscheinungen zugestehen. Jetzt dagegen, wo es 
sich um die religiöse Naturbetrachtung und ihr Verhältnis zum Lebens— 
problem handelt, müssen wir versuchen, zu einer definitiven Stel— 
lungnahme zu gelangen, von einer bewußt phänomenalen zur „meta— 
physischen“ Betrachtungsweise aufzusteigen. Es fragt sich also zunächst, 
ob etwa die religiöse Auffassung uns ermöglicht oder gar dazu nötigt, für 
eine der genannten Theorien Stellung zu nehmen und ihr letzte, „meta— 
physische“ Wahrheit zuzuerkennen. In der Tat wird diese Ansicht viel— 
— S. Das Sachregister.
	        
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