764 Abschließende Ergebnisse und letzte Fragen.
Prüfen wir das Recht dieser Stellungnahme an den heutigen bio—
logischen Tatsachen und Auffassungen. Ich gestehe ganz offen, daß Be—
griffe wie Entelechie, Psychoid u. dgl, die man einführt, um das
Ceben verständlich zu machen, mir um nichts begreiflicher erscheinen als
etwa der der Urzeugung, ja in gewissem Sinne noch mugsteriöser. Denn
wir wissen doch wenigstens, daß wir jederzeit einen Organismus in seine
Bestandteile, letztlich in chemische Clemente auflösen können; ebenso wis—
sen wir, daß ohne einen dauernden Umtausch mit Bestandteilen der Um⸗
welt kein Organismus bestehen kann; unfaßlich ist uns nur die Synthese
dieser Clemente zum Organismus, aber auch in dieser Beziehung sind
wir vorangekommen und dürfen hoffen, weiter zu kommen. Sobald
wir dagegen den geheimnisvollen Begriff der Entelechie einführen?o),
erwecken wir allerdings den Anschein, als wüßten wir etwas; in Wirklich⸗
keit haben wir nur ein Wort, sind aber genau wie bei der „Urzeugung“
am Ende unseres Denkens angelangt, und der Rest ist Schweigen; ich ver—
mag nicht zu verstehen, wie etwa Driesch's Spekulation — aber das—
selbe gilt vom Panpsychismus oder vom Psychovitalismus — dem FSor⸗
scher irgendwie einen Faden an die hand gibt, an dem er sich zu neuer
Erkenntnis weiter tasten kann, vielmehr handelt es sich um den Über—
gang zu letzten, definitiven Betrachtungen philosophischer Art, die doch
rein fragmentarisch bleiben. Mir erscheint es daher am angemessensten,
bei dem Begriffe der Urzeugung stehen zu bleiben, nicht als ob er eine
Erkenntnis erhielte, wohl aber als bei einer Grenzmarke, die den Über—
gang von der Chemie zur Biologie aufs deutlichste bezeichnet und zu⸗
gleich Anweisung gibt, das Problem dieses Überganges immer tiefer zu
erfassen, ohne die Neuheit des schöpfungsmäßig Gesetzten zu verkennen.
Schöpfung ist, wie schon Virchow bemerkte, nur die religiöse Auffassung
der Urzeugung, womit das Rätsel derselben durch Zurückführung auf All—
weisheit, Allmacht und belebenden Geist prinzipiell verständlich gemacht
wird. Ob aber und inwieweit Urzeugung d. h. erste Entstehung des Orga⸗
nischen als physikalisch-chemisches Problem, d. h. als Entstehung einer
Maschine sich darstellen und lösen läßt, muß dem Fortschritt der Wissen—
schaft überlassen bleiben. Sehr naheliegend ist die weitverbreitete An—
nahme, daß ohne Anleihe bei einer psychischen oder doch psychoiden Auf⸗
fassung schon der Urelemente das Problem völlig aussichtslos bleibt.
Mit der religiösen Auffassung ist eine solche hylozoistische Annahme durch⸗
20) Selbstverständlich bleibt die Berechtigung bestehen, die Worte Entelechie
oder Psichoid beizubehalten als kurzen Ausdruck für das durch die Schöpfung
gesetzte geheimnisvolle Wesen des organischen Lebens, das uns mechanisch nicht
auflösbar ist.