Full text: Natur und Gott

768 Abschließende Ergebnisse und letzte Fragen. 
nur die bekannten Weltbildungstheorien annehmen, sondern auch Phnsik, 
Chemie, Gesteinkunde und die andern Wissenschaften vom Anorganischen 
bestätigen. Soweit aber der genannte Grundsatz zutrifft, ist die Entwick 
lung bereits notwendig als gerichtete gedacht, eben vom Einfachen mit 
Notwendigkeit zum Zusammengesetzten, Komplizierten tendierend. Auch 
die Energetik hat uns eine Gerichtetheit der Naturentwicklung gezeigt, 
eine Abnahme der freien Energie; ob allgemein der Evolution eine In— 
volution entspricht, ist nicht sicher, aber nicht unwahrscheinlich. 
Wenden wir uns dem biologischen Entwicklungsgedanken zu. Schöp— 
fung und Entwicklung werden vielfach als Gegensätze verstanden und 
ohne Frage sind sie es auch gemeinhin; wird die Schöpfung im buchstäb— 
lichen Anschluß an Gen. 1 verstanden, die Entwicklung aber als ein 
ohne Gott erfolgendes, von blindem Zufall bestimmtes zweckloses Ge— 
schehen, so sind sie unvereinbare Gegensätze. Versteht man dagegen Ent— 
wicklung nicht im Sinne des Atheismus, sondern als phänomenologische 
Beschreibung der Lebensgestaltung, und faßt man den Schöpfungsgedanken 
in seiner ursprünglichen religiösen Bedeutung, so bleiben zwar beide Ge— 
sichtspunkte grundsätzlich verschieden, aber unvereinbar sind sie nicht. Denn 
ob die Schöpfungsperiode, die Zeit der Entstehung der Lebensformen, 
einer fernen Vergangenheit angehört oder noch in die Gegenwart hin— 
einragt, ist, rein religiös geurteilt, nicht von entscheidendem Interesse. 
Versuchen wir umgekehrt den biologischen Entwicklungsgedanken darwi— 
nistischer Prägung in phänomenologischer Keinheit zu formulieren, so 
spricht er nicht nur einen durch Zeugung bzw. Abstammung vermittelten 
kontinuierlichen Zusammenhang der Lebensformen von ihren Anfängen. 
bis zur Gegenwart aus, sondern auch die Annahme, daß die heutigen, 
überaus mannigfachen und komplizierten organischen Bildungen im 
Pflanzen- und Tierreich aus wenigen einfachen und noch undifferenzier— 
ten Grundformen hervorgegangen sind. Damit aber verbindet sich noch; 
die für den Darwinismus im Unterschiede von andern Formen der Ent— 
wicklungstheorie charakteristische Aussage, daß von den durch die Varia— 
bilität gegebenen unbegrenzten Möglichkeiten infolge des Zwanges der 
äußeren Umstände?“) nur die heute vorhandenen Gestaltungen sich als 
dauerhaft bewährt haben. Die zweckmäßigen Vorrichtungen, die die Ei— 
genart der einzelnen Arten ausmachen, erscheinen also als eine Aufspei— 
cherung (Kumulation) zufällig zweckmäßiger Varianten, die im Laufe 
22) Daß „Not und Mangel als Faktoren der Entwicklung“ regenerierende 
Wirkung haben können, zeigt eine (unter dem genannten Titel's16 erschienene) an— 
sprechende Studie von Dennert unter besonderer Berücksichtigung der Kriegs— 
verhältnisse.
	        
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