Full text: Natur und Gott

Das Wunder als notwendige Denkform der Religion. 779 
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sehen möchte, gegenüber der Tendenz, nicht nur die physikalisch-chemische, 
sondern auch die organische und schließlich selbst die geistige Welt aus— 
schließlich dem Mechanismus zu überweisen, stellen wir Christen als 
unsere Überzeugung fest das Hineinragen höherer göttlicher Kräfte in 
unsere Welt, zumal in unser eigenes geistiges Leben, das Eintreten 
höherer Kräfte, die außerhalb des geistigen und religiösen Lebens sich' 
nicht entfalten, die auch nicht aus dem empirischen Wesen des Menschen 
stammen, sondern aus Gott; wir behaupten religiöse Erlebnisse und 
Kräfte, die als unbegreifliche höhere Stufe über das allgemein mensch— 
liche Seelenleben hinausragen. 
Mit den Tatsachen und Methoden der Natur — wie aller empirischen 
Wissenschaften setzen wir uns dabei keineswegs in Widerspruch. Mit 
den Tatsachen nicht, denn Tatsache bleibt es, daß der Organismus etwas 
andres ist als der ungeformte Stoff und durch eine ungeheure Kluft 
von ihm geschieden, selbst wenn sein Mechanismus restlos aufgezeigt 
werden könnte. Der Übergang bleibt uns etwas Unbegreifliches; alle 
Naturkräfte physikalischer und chemischer Art wirken fort und doch sind 
ihre Wirkungen modifiziert und in eine neue Kichtung gelenkt. Tatsache 
ist ebenso der unüberbrückbare Unterschied des menschlichen Geistes von 
der Tierseele, ein Unterschied, der ganz unverändert fortdauerte, selbst 
wenn wirklich einmal die empirische Forschung vermöchte, UÜbergangs— 
glieder zwischen dem Tiere und dem Menschen zu ermitteln. Warum 
sollen dann nicht ebenso höhere Lebensgestaltungen angenommen werden, 
die aus dem sonstigen geistigen Leben der Menschheit sich nicht ohne 
Kest erklären lassen, sondern dauernd davon geschieden bleiben? Man 
aimmt ja doch wohl nicht an, daß jeder primitive Stamm von heute die 
Anlage in sich birgt, rein aus sich heraus höchste geistige Kultur zu ent— 
falten, oder daß jeder europäische Mensch die Anlage zu einem Beet— 
hoven oder helmholtz in sich trägt. Mit den Tatsachen empirischen Wis— 
sens steht die Annahme sprunghaften KAufstiegs zu höheren und höchsten 
geistigen Lebensgestaltungen nicht im Widerspruch; ebensowenig wider— 
spricht unser Christenglaube den wissenschaftlichen Methoden. Denn wie 
diese einen gesetzmäßigen Susammenhang der im Organismus bestehen— 
den Lebenserscheinungen mit allen Kräften und Gesetzen der phnysika— 
lischcchemischen Welt erfordern und auch feststellen können, wie ebenso 
der Geist des Menschen gesetzmäßig in der Welt wirkt und von ihr 
entsprechend beeinflußt wird, so nehmen wir als Gläubige einen durch 
Gottes unveränderliches Schöpfungswirken gesetzten, in konsequenter Ein— 
heit und Geschlossenheit ablaufenden Zusammenhang an, der die gesamte 
Welt mit Einschluß des Christentums und aller seiner Wirkungen um—
	        
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