Full text: Natur und Gott

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4.37. 
Ahen. 
Vegetations⸗ und Fruchtbarkeitsriten. 65 
die Lebenskraft der (immergrünen) Bäume, die sie der Aufmerksamkeit empfahl, 
so wurde sinnvoll der Feigenbaum als Bild überschwenglicher Zeugungskraft zu 
Demeter, Weinlaub und Epheu zu Dionysos. Myrte, Rose und Granatapfel zu 
Astarte⸗Aphrodite in Beziehung gesetzt, während die keusche Lilie als Rose der 
Juno galt, der Elbaum als Symbol friedlicher Kultur der Athene, der stark 
duftende Lorbeer seiner Keinigungskraft wegen Apollo geweiht war. 
Bemerkenswert ist, daß die der Aphrodite heiligen Gewächse zwar 
einen üppigen und heiteren Lebensgenuß repräsentieren, aber zugleich 
Ssymbol des Todes und der Vergänglichkeit werden, was beim Granat— 
apfel durch die blutrote Farbe des Innern, bei der Kose wohl durch ihre 
übergroße Vergänglichkeit indiziert war. Dies merkwürdige Ineinander 
von Liebe (bzw. Zeugung) und Tod kommt darin zum Ausdruck, daß die 
Rose aus dem Blute des Attis, Myrte und Granatapfel aus dem Blute 
des Adonis entstanden sein soll, wie der Mandelbaum, dessen Blüten die 
ersten Boten des Lenzes sind, dem Blute der Göttermutter entsproßt ist. 
Darin kündet sich die eigentümliche Wendung an, welche die religiöse 
Betrachtung der Vegetation nimmt, die Richtung auf Mysterienkulte. Das 
Leben des Menschen hängt jederzeites), besonders aber, sobald die Kul— 
turstufe des Feldbaues erreicht ist, vom Wachstum und Gedeihen der 
Feld- und Baumfrüchte ab. Darum wird die Fruchtbarkeit der Nutz— 
rflanzen für den Bauer zur großen, alles andere zurückdrängenden 
Lebensfrage. Der gleiche Gesichtspunkt der Fruchtbarkeit wird auch auf 
die Herden, auf das jagdbare Wild und auf den menschlichen Nachwuchs 
ausgedehnt und ist (je nach der Lebensweise des Menschen), in all diesen 
Beziehungen fundamental; mithin müssen Pflanzenseelen und Tiergeister 
vorzüglich zu Fruchtbarkeitsdämonen werden. Aber mit dieser Konzen⸗ 
tration der Interessen in einem leitenden Gesichtspunkte ist es noch nicht 
getan. Denn das Gedeihen der Früchte hängt von mancherlei Umstän— 
den ab, in erster Cinie vom Boden und von der Witterung, d. h. von 
Mächten der Tiefe und der Höhe, ebenso aber auch von der sorgsamen 
Pflege des Menschen. Das Tier konnten wir als eine selbständige Welt 
im Kleinen betrachten; sobald wir aber die Pflanze und ihr Gedeihen 
ins Auge fassen, sehen wir uns auf umfassende Zusammenhänge hin— 
gewiesen, die Beachtung verlangen: Berg und Tal, Quell und Bach, 
Regen und Sonnenschein, und sie alle werden nun in den leitenden Ge— 
danken der Fruchtbarkeit und ihrer Gewährleistung hineingezogen und 
müssen hier von uns gewürdigt werden. 
se) Das wird mehr als billig übersehen. Denn auf Pflanzenkost kann der 
Mensch aus physiologischen Gründen nicht dauernd verzichten. Darum geht das 
Cinsammeln von Wurzeln und Früchten der Jagd oder Sischerei parallel und 
mit dem Nomadentum verbinden sich überall die Anfänge von Feldbau. 
Titius, Natur und Gott.
	        
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