70 Bedeutung der Natur für die Keligion.
Istar, mit dem jugendlichen Hirten Tammuz festlich begangen, aber bald
nimmt die Freudenzeit ein Ende. Von einem Dämon, wie es scheint, ge⸗
packt, ist er voll Jammers und geht den Weg, der den Menschen ein
Ende bereitet. Die Klage, die um ihn anhebt, ist zugleich eine Klage über
das Sterben der Natur. Denn er ist's, der das „Sprießen des Landes“
bewirkte. Geboren an der „glänzenden Zeder“ war er als Erwachsener
im Getreide untergetaucht und lag darin in Südsturm und Orkan. Die
Rlage um ihn ist eine Klage zugleich um das FSeld, das kein Getreide,
um das Getreide, das keine Ahre mehr hervorbringt. Aber auch Garten
und Beete, Wälder, Teiche und Steppen haben ihre Zeugungskraft ver⸗
loren, und die Paläste sehen statt Canglebigkeit und Kraft schwache Gat—⸗
ten, schwache Kinder. So wird hier wie bei Istar über die Idee des
Vegetationsprinzips zum allgemeinen Fruchtbarkeitsprinzipro) fortge⸗
gangen, doch beruht die eigenartige Idee des sterbenden Dämons ersicht⸗
lich auf der Erfahrung über das jährliche Ersterben der Vegetation.
über den ursprünglichen Sinn der so vielartig und doch so wesens⸗
gleich auftretenden Fruchtbarkeitsriten kann uns ihre Gestaltung auf einem
Boden aufklären, wo sich ein eigentlicher Mythus garnicht entfaltet hat.
Sehr nahe kommen der eben vorgeführten Form die eigenartigen Feste
der Uitoto, über die uns Preuß unterrichtet hat; sie sind überwiegend
Vegetationsfeste, bewegen sich aber zugleich in bestimmten Beziehungen
zu den Vorfahren und zum Monde, der sie irgendwie repräsentiert.
Das Ballfestspiel wird begonnen, sobald eine bestimmte Palmenart
Früchte zu tragen beginnt; „wie der Ball in der Luft, so schweben die
Früchte im Winde“; wenn aber die Bäume aufhören zu tragen, wird
mit dem Spiele aufgehört. Denn dann ist „die Seele unserer Früchte“
unter die Erde herab zum Vater gegangen; dieser hat uns geläuscht,
indem er in die Unterwelt entwich, aber (im Frühling) bringt er gutes
Wasser auf die Erde, daß nun die Blumen blühen. Der Sinn der hand—⸗
lung ist ersichtlich, daß viele Früchte sich im Winde wiegen sollen; dazu
hilft das Ballspiel; es „ist nicht Mutwillen, sondern eine hl. Sache, die
UÜberlieferung ein Zauberding, kein albernes Wortso)“. Ein anderes Fest
(Okima), das zur Neumondszeit gefeiert wird, hat deutliche Beziehung
auf das Essen und die Vermehrung der Yucca (der hauptfrucht). Zeigt
das Ballspiel (Ball-Pollmond) den Mond und damit die Wirkungskraft
der Vorfahren auf voller Höhe, so handelt es sich hier um Neumond
i8) Die Texte am bequemsten bei Greßmann a. a. O. s. 65ff. 95f. und
Candsberger (Textbuch zur Religionsgeschichte von Edw. Lehmann und Haas)
8. 306 f., sowie im rel. gesch. Lesebuch von Bertholet, beide in 2. Aufl.
so) Preuß a. a. O. Ur. 51, 53.