Bedeutung der Natur für die Keligion.
ker⸗ oder Elementargedanken zu erweisen versucht hat, in helles Licht;
ebenso kommt die hervorrufung einer neuen Vegetationskraft zu deut⸗
lichem Ausdruck; dagegen fehlt, soweit sich sehen läßt, ebenso wie in den
australischen Gebräuchen, noch die Parallelisierung der Naturvorgänge
mit der menschlichen Zeugung. Ein die Vegetation repräsentierender Gott
ist noch nicht vorhanden, wohl aber liegt auch hier bereits die Beziehung
auf die Mondphasen vor, die zugleich als Repräsentation des Lebens
und Sterbens der Vorfahren gelten. Trat in diesen Gedankenkreis die
Idee eines Gottes hinein, so konnten alle Elemente zu einem einheit—
lichen Kultdrama zusammenschießen, in dem Geburt und Tod, Begräbnis
und Auferstehung des Gottes dargestellt wurden. Dies Kultdrama bil⸗
det den wesentlichen Inhalt der Mysterien; ihr Zusammenhang mit Vege—
tationsriten tritt auch in ihren spätesten Formen noch unverkennbar her⸗
vor. Es spricht sich in ihnen der Schmerz darüber aus, daß unter der
Gluthitze der Sonne die Natur erstirbt, wie die Hoffnung auf ihr Neu—
erwachen, und beides erlebt der Mensch nicht als unbeteiligter Zuschauer,
sondern er wirkt zugleich durch sein eigenes Tun an diesem Geschehen mit.
Wenn in späterer Zeit der Sinn der Mysterien sich vertieft hat, wenn im
Untergange der Natur der Mensch seinen eigenen beklagt, so knüpft auch
dieser Gedanke an Teile der alten Vorstellungen, an den Zusammenhang
der Erde mit der UÜUberwelt und an Zusammenhänge mit Mond und
Sonne, die wir noch zu würdigen habene?), an. Dagegen tritt die spätere
hoffnung des Menschen auf sein Erwachen in einem geläuterten Dasein
zum ursprünglichen Sinne jener Bräuche in einen bemerkenswerten Ge—
gensatz. Jene gingen von der Notwendigkeit des Kreislaufs aus, der sich
die göttliche, in der Natur wirkende Kraft nicht entziehen kann; der
Dämon kreist zwischen Leben und Tod; dem Menschen könnte höchstens
der gleiche unveränderliche Kreislauf beschieden sein. Aber die Auf—
fassung einer späteren Zeit strebt vielmehr dahin, den Menschen über den
vergänglichen Kreis des Daseins zu erheben und in eine unvergäng—
liche Welt zu retten. Dieser Gedanke stammt offenbar nicht aus Vege—
tationsbräuchen, sondern ist auf sie erst aufgepfropft; seine Herkunft hat
uns noch zu beschäftigen. In derselben Linie aber muß es liegen, wenn
die alten orgiastischen Tendenzen in Kasteiung, Verzicht auf Fleisch- und
Weingenuß und sexuelle Enthaltung umzuschlagen beginnen. Die Flucht
vor dem Ernst der Vergänglichkeit in den Sinnestaumel, wie sie den
Fruchtbarkeitsriten nahelag, mußte in dem Momente aufhören, wo sich
dem Menschen eine höhere Bestimmung ankündigte.
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82) Vgl. unten S. 76f. 77f.