Full text: Natur und Gott

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Der himmel und die ewige Weltordnung. 77 
vorhandenen Lebenskraft konnte der Phasenwechsel des Mondes in Zu— 
sammenhang gesetzt werden. Daß Mond- (und Sonnen-) finsternisse zu 
besonderer Beunruhigung und zu allerlei Abwehrmaßregeln gegen die 
angreifenden Dämonen führten, ist ohne weiteres begreiflich; ebenso frei⸗ 
lich das andere, daß in Babylon mit zunehmender Beobachtung der 
Mondbewegungen seine geheimnisvolle Größe zurücktrat und er un—⸗ 
fähig ward, als Verkörperung des herrschenden Gottes zu gelten; er 
erhielt vom Weltordner (marduk) genaue Verhaltungsmaßregeln und 
diente im wesentlichen zur Bezeichnung der Zeites). Damit sind wir auf 
dem Wege, den in der Beurteilung aller Gestirne und des Himmels 
selbst die Betrachtung der hebräischen Propheten eingeschlagen hat. 
Oft genug findet man die Verehrung von Sonne und Mond ver—⸗ 
bunden, aber es gibt auch Fälle, wo eine gewisse Antagonie hervortritt, 
und sie sind die interessanteren, weil hier die Sondertendenzen sich deut⸗ 
lich ausprägen. Einen neuen anschaulichen Beleg dafür bieten die 
Uitoto⸗Mythen; die Uitoto führen sich selbst auf Mondhelden zurück, und 
den Mondmythen haftet ganz das eben gezeichnete Gepräge, die Be— 
ziehung auf die Vorfahren und auf Fruchtbarkeit an. Dagegen bringen 
sie den Himmels- oder Sonnengott mit feindlichen Stämmen zusammen 
und er repräsentiert ihnen (wie der altmexikanischen Tradition) Grau— 
samkeit und Menschenschlachtungen; der Hof um den Mond indiziert, 
daß man Tapire essen solle, der hof aber um die Sonne, daß man 
Menschen fressen solle Dem blutigen Orte des Sonnenaufgangs ent—⸗ 
spricht sein Blutbaum, an dem die Gefangenen zur Marter festgebunden 
werden. Dieser unheilvolle Sinn des Morgenrots wird auch in der Na— 
turbetrachtung durchgeführt: Wenn es tagt, gehen die Kröten in den 
See, der rot von Blut ist, die Spechte in den Wald... (und fressen andere 
Tiere). Daher riecht die Kröte nach Blut, bringt der Schmetterling 
Unheil. Der Gefressene aber ruft aus: Man hat mich ergriffen, fort— 
geschleppt und in meiner Jugendblüte getötete), Eine zweite so rea⸗ 
listische Schilderung des Morgens ist mir nicht bekannt, doch fehlt es an 
Unheilszügen im Bilde der Sonnentätigkeit auch sonst nicht. Aus Indien 
hören wir: Die glühende Sonne ist der Tod; deshalb sterben alle Ge— 
schöpfe, die unter ihr wohnen; die Sonnenstrahlen sind Zügel; damit 
sind alle Geschöpfe ins Leben eingespannt; bei wem sie will, dessen 
Ceben zieht sie an sich und steigt empores). Der Sonnengott wird vielfach 
zum Todesgott, der auf seinem Wagen die Menschen in die Unterwelt 
mit sich führt. So wird z. B. Nergal, die Südsonne, die gleich Lohe die 
J 66) Vgl. Lehmann-Haas S. 289. 87) Preuß, Gesang 82-097. 
38) Oldenberg, Buddha S. 23.
	        
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