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Bedeutung der Natur für die Religion.
rung von himmel und Erde; sie nehmen ihre FSormen von den vier
Jahreszeiten, ahmen die Verkürzung und Entfaltung der Bewegungen
der Nalur nach und sind den menschlichen Gefühlen konform“. 3. B. ist
der Platz des Gastes nach der Himmelsrichtung orientiert; er repräsen⸗
tiert den Himmel, der Wirt die Erde. Wenn der himmelssohn aufsteht,
hat er die Intelligenz (Frühling) links, rechts die Gerechtigkeit Gerbst),
vor sich das Wohlwollen (Süden) und hinter sich den Winter; so sind
alle Bewegungen genau orientiert und alles bis ins kleinste künstlich
aufgebaut, — ganz wie bei den Primitiven, wo nicht selten die häupt—
linge unter der Umständlichkeit und Last der Observanzen, die sie be—
folgen müssen, erliegen. Hhier wie dort zieht die Verletzung schlimme
Folgen nach sich. Werden die männlichen oder weiblichen Energien nicht
richtig verwendet, so prozedieren nach chinesischer Annahme auch die
männlichen bzw. weiblichen Phänomene in der Natur nicht regelrecht;
wir haben hier die Sonnen⸗, dort die Mondfinsternis. Daher repariert
bei Sonnenfinsternis der Sohn des Himmels in weißer Kleidung, was an
Unrecht in den Pflichten der sechs offiziellen Departements vorgekom—
men ist; bei Mondfinsternis geschah gleiches in den sechs Palasthallen.
Auch das Opfer ordnet sich dem gleichen Gedankengange ein; insbe—
sondere soll das große Dankopfer alle Dinge in Ordnung bringentee),
Der Bedeutung des Opfers für die Aufrechterhaltung der Welt—
ordnung begegnen wir allenthalben. Das babylonische Weltschöpfungs—
epos läßt die Menschen ausschließlich zu dem Zwecke geschaffen sein,
damit sie anstelle der Chaosgötter und zur Sühnung ihrer Huflehnung
den Dienst der Himmlischen auf sich nehmen und die Götter wohnen las—⸗
sen „an der Stelle ihrer herzensfreude“; offenbar liegt die Voraus—
setzung zugrunde, daß ohne die gebührenden Opfer das Chaos neu an—
heben müßte. Darum sind auch die Funktionen des Königs in erster
Linie priesterliche; überall hat er für das Gebührende Sorge zu tragen.
Noch deutlicher ist der Parallelismus zwischen Welt- und Opferordnung
in Indien ausgesprochen; mit ihrer Kede und ihrem Opfer bilden die
Priester die kosmischen Verhältnisse ab und werden so mit ihnen identisch.
„Des Opfers Ordnung befolgt das All“. Das Opfer ist ein Bild des
Jahres, ist das Jahr; die Opferpriester sind die Jahreszeiten, die Opfer—
spenden die Monatetos). Auch im Mazdaismus ist trotz seiner stark ethi—
schen Wendung die Weltordnung (arta⸗rita) besonders auf das Gebüh—
102) Vgl. Legge's Übersetzung der chinesischen Urkunden in den S. B. E.
namentlich Bd. 28, 8. 218f. 434. 436 ff. 444. 465; Bd. 39, 5. 338.
108) Oldenberg, Buddha S. 22; Deussen a. a. O. J, 1160ff.; vgl. Rigveda J,
164 v. 35f. (ogl. auch die Übersetzung von Geldner).