Full text: Das Deutsche Museum

wenigen Stunden „Alles gesehen haben müssen“. Für diese Sorte von Besuchern be- 
darf es keines Kopfzerbrechens für die Organisation des Museums. Aber auch die 
Menschen, die im Museum sich geistig oder seelisch bereichern wollen, sind von 
erheblich verschiedener geistiger Struktur. Wir wollen nur fünf Typen derselben her- 
vorheben : Erstens der ausgebildete Fachmann eines bestimmten technischen Gebietes, 
der in andere Gebiete Einblick gewinnen und Verbindungen herstellen möchte; 
zweitens der Lehrer der Volks- und höheren Schulen, der seine Schüler anleiten will, 
den Geist des Museums zu erfassen; drittens der erfahrene gelernte Arbeiter, der die 
\rbeitsprozesse seines Gebietes und die zu ihrer Durchführung nötigen Maschinen 
iberschauen möchte; viertens der Lehrling der Fachschule, der, mit dürftigsten 
naturwissenschaftlichen Kenntnissen und geringen theoretischen Bedürfnissen aus- 
gestattet, aber dennoch sein technisches Interesse befriedigen will, und endlich 
fünftens der Schüler der allgemein höheren Lehranstalten, der zwar mit guten natur- 
wissenschaftlichen Kenntnissen ausgerüstet, aber ohne ausgesprochene technische 
[nteressen in den Geist der Technik eingeführt werden soll. Wem soll das System in 
erster Linie gerecht werden? Hier liegen eine Menge psychologisch-didaktischer 
Probleme vor, die nur schlecht gelöst werden können, wenn man etwa nach dem 
Ausspruch des Theaterdirektors im Vorspiel zu Faust nach dem Grundsatze verfahren 
wollte: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.“ 
Begnügt sich das Museum mit der Ausbreitung des Anschauungskreises und 
mit der Förderung intellektueller, theoretischer oder praktischer Interessen, so 
wird die Aufgabe erheblich einfacher, als wenn das letzte Ziel aller Bildung ins Auge 
zefaßt wird, das im Sinngefüge des Beschauers neue Werte einbauen oder das Gefühl 
der Ehrfurcht erzeugen will vor jenen Großen, die in selbstloser Hingabe die Mensch- 
heit befreien halfen aus der Willkür der Naturkräfte. Der Weg vom ausgebildeten 
intellekt zur Ausbreitung und Vertiefung der Werterlebnisse ist viel unsicherer, als 
der Weg vom Werterlebnis zur gesteigerten intellektuellen Leistungsfähigkeit. 
Wir Erwachsenen, die wir in selbstloser Hingabe an eine Idee die Kleinheit und 
Endlichkeit unseres Wesens und das bescheidene Maß dessen, was wir vollenden konn- 
ten, an uns selbst erfahren haben, wir werden verhältnismäßig leicht vom Gefühl der 
Ehrfurcht erfaßt, wenn uns ein Großer in seinem gleichgerichteten Streben gegenüber- 
tritt. Es ist schon ein Funke in uns, der zur Flamme auflodern kann, wenn wir dem 
Genius auf Wegen begegnen, die wir selbst mühsam gewandelt sind. Aber jene, die 
ferne vom Ringen um technische oder wissenschaftliche Probleme nicht an sich er- 
fahren haben, wie prompt die exakte Wissenschaft und noch mehr die exakte Technik 
auf alle Unsachlichkeit, Oberflächlichkeit, Bequemlichkeit antwortet, die unter der 
Einbildung des Wissenskrames leiden und noch keine Seligkeit empfunden haben, wenn 
sie ein vollendetes technisches Gut in Händen hielten, die sich rühmen, wie es mir in 
siner Schulbehörde begegnet ist, nicht einen Nagel in die Wand gerade einschlagen 
zu können und doch, wie sie glaubten, tüchtige Menschen geworden zu sein, wie wollen 
wir diese durch die Technik zur Ehrfurcht führen? Wir haben Tausende von ihnen 
and nicht zuletzt in den sog. gebildeten Kreisen. Hier allerdings liegen Aufgaben vor, 
welche das Deutsche Museum nicht mehr für sich allein lösen kann. Hier tauchen 
andere Fragen auf, die mit der Organisation unserer öffentlichen Schulen aufs engste 
zusammenhängen. 
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