Full text: Das Deutsche Museum

Bis zum Bau-Beginn verstrichen noch zwei Jahre. Die Sammlungsgegenstände 
waren schon seit langem im alten Nationalmuseum in der Maximilian-Straße in einer 
Abteilung I und in den Räumen der Schweren-Reiter-Kaserne in der Zweibrückenstraße 
in einer Abteilung II einstweilen untergebracht. Auf Grund der in dieser vorläufigen 
Sammlung und auf einer Studienreise nach Frankreich und England gemachten Er- 
Fahrungen mußte das Seidl’sche Projekt hinsichtlich des Sammlungs- wie des Bibliothek- 
daues wesentlich abgeändert werden. Der hufeisenförmige Hallenbau mit einge- 
schlossenem Kongreßsaal wurde in drei mit den Längsflügeln des Gebäudes gleich- 
zerichteten Hallen, eine hohe Mittelhalle und zwei niedrigere Seitenhallen, aufgelöst. 
Der Kongreßsaal wurde in das Bibliothekgebäude verlegt. Die runden Treppen- 
häuser des Nordflügels wurden zu Nebensternwarten mit Kuppelaufbauten abge 
ändert. Die Spitze des Turmes mußte einer Plattform weichen. Die Südseite erhielt 
einen Vorbau mit Säulenhalle und Ehrenkolonnade. Eine wesentliche Änderung 
rfuhr die Fassade des Ostbaus durch Entfall des dortigen Kamines für die Kessel- 
anlage. Beide wurden entbehrlich, da die Stadt München die unentgeltliche Abgabe 
von Wärme in einer Fernheizanlage vom Muffatwerk eingeräumt hatte. Bei einer 
Reihe dieser Änderungen, so bei der Einfügung der Zwischenhallen, der Form des 
Astronomieaufbaues usw. war allerdings nicht der Wille des Architekten, sondern 
die Forderung der Museumsleitung aus museumstechnischen Gründen maßgebend. 
Mit dem Bau des Sammlungsgebäudes wurde im Jahre 1909 begonnen. Die 
Arbeiten waren in drei Losen an die Firmen Dyckerhoff & Widmann, Nürnberg, 
Rudolf Wolle, Leipzig, und Gebrüder Rank, München, mit Ed. Züblin, Straßburg, 
nach sogenannten Selbstkostenverträgen vergeben und in der zweiten Hälfte des 
Jahres 1911 soweit gediehen, daß am 5. Oktober 1911 in Anwesenheit des Protektors 
des Museums, des Prinzen Ludwig von Bayern, das Richtfest gefeiert werden konnte. 
In den folgenden Jahren wurde der Weiteraufbau tüchtig gefördert. 
Hand in Hand mit den Ausführungsarbeiten gingen die Projektierungen der 
Einzelheiten in künstlerischer und konstruktiver Hinsicht. G. v. Seidl legte Entwürfe 
ınd Modelle über die dekorative Ausgestaltung des Turmes mit Vorbau, über die 
Vorhalle und das Haupttreppenhaus vor. Er arbeitete ein neues Projekt des Biblio- 
thekbaues mit Kongreß-, Vortrag-, Zeichen- und Lesesälen sowie einer Plansamm- 
lung nach den neuesten Verfügungen der Museumsleitung und unter Benützung der 
Ergebnisse einer Studienreise nach Amerika zur Besichtigung wichtiger Bibliotheken 
im April 1912 aus. Eben hatte er einen Entwurf des Ehrensaales von höchst vor- 
nehmer Art der Museumsleitung unterbreitet, als ihn der Tod am 27. April 1913 
mitten aus seiner Tätigkeit riß. Der Verlust dieses verdienstvollen, hervorragenden 
Künstlers traf das Deutsche Museum schwer. Wenn auch der Verstorbene die Fertig- 
stellung des Museumsbaues nicht erlebte, wird doch die gediegene äußere Gestaltung, 
die er dem Sammlungsbau gegeben, seinen Ruhm für alle Zeiten verkünden. Zu 
seinem Nachfolger wurde sein Bruder, Professor Emanuel von Seidl, bestimmt. Die 
früheren Neubauvorstände, die Bauamtmänner Neu und Bosch, wurden ihm zur 
Unterstützung in künstlerischer und konstruktiver Hinsicht beigegeben. E. v. Seidl 
führte die Arbeiten im Sinne seines Bruders fort. Sie waren im Bureau und auf der 
Baustelle im vollen Gange und man konnte mit der Eröffnung des Museums im J ahre 
L916 rechnen, als der Ausbruch des Weltkrieges die Fortführung der Arbeiten 
hinderte. 
P 
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