Full text: Die geistige Botschaft romanischer Bauplastik

Sühdöstlich. Das in der romanischen Plastik häufige Bild aus 
der Tierfabel: Der Wolf und der Kranich. Der leichtfertige Menscher⸗ 
kennt nicht die Todesgefahr, gedenkt nicht der letzten Dinge. Der Ra—⸗ 
chen des Wolfes ist bereits zugeklappt, der Kranich macht vergebliche 
Mühe, loszukommen, so 7 er sich gegen den Wolfsleib stemmen 
mag. Es ist der Schlußteil des Vorgangs gewählt, weil nicht das Le— 
hen, sondern der Tod des leichtsinnigen Menschen versinnbiloͤlicht wer⸗ 
den follte. (VGergl. Novotny, S. 12). 
Nor döstlich. Samson bezwingt den Löwen, zerreißt ihm den Ra⸗ 
chen. Diese immer wiederkehrende Darstellung bedeutet dem Mittel⸗ 
Atter die UÜUberwindung des Todes durch den Erlöser, die Befreiung 
de vre leonis“, „de poenis inferni“ (Totenmesse); Christus öffnet die 
Vorhölle, führt die Seelen der Gerechten zum Himmel. „Tod, wo ist 
dein Sieg?“ (J. Kor. 15, 55). Dieses Bild spendet Trost angesichts des 
Todes, denn Fer kann die Seele nicht töten“ (Matth. 10, 28). Das Bild 
bedeutet die überwindung des Todes. Am Verduner Altar in Kloster— 
neuburg steht bei Samsons Kampf die Inschrift: leo figuram mortis 
sgerit): der Löwe ist das Bild des Todes“. 
Die Ornamentik deröstlichen Fläche 
Die Hochsäulenkapitelle. Südlich das Palmenkapitell, Sieg 
und Himmel; nördlich sind am Kapitell zwei Köpfe; der südöstliche 
deutet, dem Samsonbilde nebenan entsprechend, das Emporgetragen—⸗ 
werden an, der nordöstliche Kopf paßt zur Symbolik der nördlichen 
Fläche, das Festgehaltensein in Teufels Gewalt. 
Kapitelleund Konsolen am Architrav. 
1. Kapitell, wiederholt das Motiv eines Kopfes im Gras, die Auf⸗ 
erstehung der Toten. 
2. Konsole, ein Knietänzer (Schottentor, S. 46), ein oft vorkommen⸗ 
des Bild leichtfinnigen Lebens, hier über der Szene von Kranich und 
Wolf. Es ist wohl auch der Leichtsinn der Jugend im Gegensatz zur 
nördlich entsprechenden Konsole der gleichen Fläche. 
3. nieh ohne Zutat, kann die Himmelshoffnung, aber auch 
den unfruchtbaren Baum bedeuten, hier wohl letzteres, in Bezug auf 
Menschen, die der Tod unvorbereitet trifft. Dann folgt der Kopf, der 
hen Tod bedeutet, der Menschen in Halsschlingen festhält. 
Gapilell mit zwei Adlern, rauhgefiedert, Seitenansicht. mit zu⸗ 
rückgewendeten Köpfen. Dazwifchen ist ein Stern, wie an Konsole fünf 
der südlichen Fläche; hier sind beide Adler einander gleich gefiedert. Sie 
stehen mit geschlossenen Flügeln jeder auf einem Bein, mit dem ande⸗ 
ren halten fie sich zusammen über einem Pflanzenornament. Die Hal— 
lung ist wohl nur Stilisierung. Die „Zwei“ gleichartiger Adler bedeu⸗ 
let eine Vielheit. Es sind dies die Gerichtsadler, die das Ende erwar— 
len, das durch den (fallenden) Stern angesagt wird. In der Gerichts⸗ 
verheißung heißt es: „Wo ein Aas ist, versammeln sich die Adler“ 
Matih. 24 38). Die Vorstellung ist alt: „Vom Felsen späht der Adler 
nach Speise und aus der Ferne schauen seine Augen und wo ein Aas 
ist, da ist er alsbald“ (Job 39, 29). Der Vergleich liegt im Allessehen 
und in der Schnelligkeit des Kommens. Die Kapitelle beiderseits vom 
Tod sagen ein unvorhergesehenes und plötzliches Eintreffen an. 
5. Konsole. Ein maͤnnlicher, bärtiger Kopf, alt aussehend; der 
Greis, der spricht: „O Tod, wie gut ist dein Urteilsspruch für den ar— 
men Mann, der an Kräften abnimmt, den Altersschwachen“ (Sir. 41, 3). 
)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.