an den Seiten offen ist. Das war durchaus keine den Geistlichen und
Mönchen vorbehaltene Tracht. So erscheinen (in Chartres) die Hirten,
lin Maastricht, Liebfrauenkirche) Kain, der Bauer, immer wieder Va—⸗
hanten, Scholaren, Fuhrleute, Laien aller Art, am Singertor unseres
Domes ein Begleiter des hl. Paulus. Den Gugel- oder Kapuzenzipfel
benützte man auch zur Bergung von Geld u. a. (vergl. Amira, S. 238,
Ergreifen des Gugelzipfels bei Forderung oder Haftbarmachung).
Die fliehende Gestalt hält die Rechte unter dem Vorderteil des Man—
tels an den Leib, faßt mit der Linken den Fuß der ihr nachlaufenden.
Diese trägt ein langes Kleid mit Gürtel und ist ohne Kopfbedeckung.
Sie hat mit der Rechten den Gugelzipfel des Verfolgten ergriffen X
schwingt in der (zerstörten) Linken ein Beil. Sie ast dem Opfer mit
einem Fuß in den Rücken getreten, um es zu stürzen der überfallene
aber hal diesen Fuß erwischt und hält ihn fest. So ist hier das Rennen,
Packen, Treten und Totschlagen in einem Bilde vereint (wie bei der
Slbergszene oft das Küssen, Festnehmen, der Schwerthieb und die Hei—
lung in eine Handlung verbunden sind). An den Brudermord Kains zu
denken, ist ausgeschlossen, wo das Todesopfer davonläuft. Es ist ein
jener Zeit gewiß nicht fremder Vorgang, ein Raubmorodͤ. Der Anstifter
ist der Teufel. Wie er beim Irrlehrer in —— erscheint, so hier
als „der wilde Mann“, der Menschenmörder (Joh. 8, 44), ähnlich wie
an der Suüdseite der Schöngrabener Apsis, nackt, feist, mit offenem
Maul; sein Haar ist gesträubt; der linke Arm und Unterschenkel sind
abgeschlagen. Mit der rechten Hand faßt er seinen eigenen rechten Fuß
bon unten. Was soll diese Gebärde? Ich halte sie für eine Ausübung
bon einer Art Sympathiezauber, der Teufel hält für den Mörder sei—
nen Fuß, um dessen Eile und Stoß zu unterstützen und ihn vor einem
Fehltritt und Sturz zu behüten; so „hält man einem den Daumen“, um
seine Kraft und Ausdauer zu mehren, so machen die Umstehenden die
Bewegungen einer in Wehen unoͤ Krämpfen ringenden Person nach⸗
ahmend mit, um ihr Erleichterung zu verschaffen. In Psalm 183, 3 heißt
es: „Schnell sind ihre Füße zum Blutvergießen“. Der Teufel macht sie
shneu schnell. Der Mörder ist Knecht und Werkzeug des Teufels, des
Menschenmörders von Anbeginn“ (Joh. 8, 49. Diese Teufelsfigur ist
zanz in der Richtung zu den Laufenden, zux Mordtat hin gewandt, die
nach dem Teufel folgende Gestalt zur Drachengruppe in der entgegen⸗
gesetzten Richtung; somit gehört der Teufel ohne Zweifel zur Mord—
szene, der folgende, abgewendete Mann zur nächsten Biloͤgruppe.
5. Der Zauberer. Ein zurückgesunkener Mann in langem (durch⸗
aus nicht Feistlichem, sondern allgemein üblichem) Gewande, das am
Halsausschnitt verziert und am Leib gegürtet ist (vergl. die Abbil dun⸗
gen nach der Mauessischen Handschrift in Heidelberg in: Grünstein,
Minnelieder aus Ssterreich, Wien, 1921, S. 11, 41, 45, 97 u. a., wo die
Sänger dieses lange Kleid mit dem verzierten Halsausschnitt tragen,
z. Tauch den Gürtel). Das Haupt bedeckt eine Kappe mit aufgeschlage⸗
ien Randlappen (Eein Priesterbarett). Das bartlose Gesicht zeigt
Schrecken. Die Linke ist erhoben in Abwehrgebärde, die Rechte, abgebro⸗—
chen, hielt wohl einen Zauberstab, der mit einer Kugel endete, die oben
am Rundstab vorhanden ist und nach unten einen abgebrochenen An—⸗
satz zeigt. Der Mann ist sichtlich erschrocken vor der phantastischen Er—⸗
scheinung eines Drachenpaares, das aus Vogelmotiven gebildet ist. Das
berschluͤgene Paar bedeutet eine zusammengehörige Vielzahl von Dä—
monen. Wir haben hier den Zauberer, Geisterbeschwörer, Wahrsager
s„Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd' ich nun nicht
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