Ihm gegenüber kauert der Teufel mit Bockshörnern und einem
Schweinsleibe. Die Arme sind abgebrochen, doch ist erkennbar, daß er
an einem Stricke zerrt, den er dem Welt- und Narrenkönig als Schlinge
um den Hals gelegt hat. Die Köpfe der beiden Gestalten stoßen fast zu—
sammen, sie besprechen Heimlichkeiten, den Mienen nach sind sie ein—
verstanden; der Teufel zeigt ein hinterlistiges Lächeln; der Antichrist
hat (nach Daniel, siehe oben) das „unverschämte Angesicht“, man glaubt
ihm, daß er „schlauer Dinge kundig“ ist. Er wird zur Macht kommen,
roße Zeichen durch Zauberei wirken, mit grausamem Knüttel regie—
ren, aber nicht aus eigener Kraft, sondern am Narrenseil des Teufels.
(Anm. In Schöngrabern, Ostseite der Apsis, hält der Teufel-Tod zwei
Menschen in Schlingen um den Hals, einen Weinpanscher in Andlau.
Hellenstrick ist ein alter Schimpfname: Grimm, Rechtsaltertümer, II.
S. 208). Teufel und Antichrist mit Stricken zusammengebunden: Siehe
Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. S. 722. Abb. 1 und 2 (I. Bòö.).
3. Die Gerichtsadler. Die —— — des Sprichworts: „Wo
immer ein Aas ist, da versammeln sich die Adler“ (Matt. 24, 28) in die
Weltgerichtsverheißung hat die Abler zu Symbolen des Gerichts ge—
macht; als solche fehlen sie namentlich an den Westseiten romanischer
Kirche selten, denn Westen ist Untergang, Gericht und Weltende. In
der christlichen Symbolik bedeutet der Adler aber auch die Auferstehung.
Beide Bedeutungen werden in ihm vereinigt, wie Auferstehung und
Gericht zusammengehören. Die Adler sind in Bereitschaft, mit geöffne—
ten Flügeln. Das Paar bedeutet sonst eine unbestimmte Mehrzahl.
Aber wenn, wie hier, ihr Gefieder einen Unterschied erkennen läßt, so
ist ein Inhalt angezeigt. An der westlichen Innenwand (üdlicher
Wandpfeiler) des Domes in Chur sind dieselben zwei Adler; der Un—
terschied ist angedeutet, indem die Federn der offenen Flügel des einen
wenigstens durch Ausarbeitung der Kiele bevorzugt sind vor denen des
anderen; zwischen diesen Adlern in Chur sind übereinander zwei (also
eine unbestimmte Vielzahl) Sterne mit abwärts fallenden Strahlen.
Das sind die Adler des Gerichts, das Fallen der Sterne ist Anzeichen
des Weltendes. Zeitlich später als Chur ist Schöngrabern. Eine Kon—
sole der südlichen Bildfläche an der Apsis hat die zwei Adler, deutlich
unterschieden, einer mit glattanliegendem, der andere mit rauh ge—
sträubtem Gefieder; doch nur noch ein Stern ohne Strahlen ist dazwi—
schen; das Motiv wird verschliffen. Noch später ist St. Stephan: Da sind
die zwei Adler mit deutlich unterschiedenem Gefieder, aber der Stern
ist aus dem Motiv verloren gegangen, nicht mehr für das Verständnis
notwendig. Diese Verschiedenheit des Federkleides versinnbildlicht den
verschiedenen Zustand der vom Tode auferstehenden Menschen, Herr—
lichkeit oder Häßlichkeit (Joh. 5, 29; 1. Kor. 15, 51). Eine Bestätigung
dieser Auslegung finde ich in Gernrode an der Westwand des hl. Gra—
bes, im oberen Rahmen; da ist „zur rechten Hand“ des Gotteslam—
mes ein Adler mit geöffneten Flügeln, ebenso links. Der Rechte hat
glattes Gefieder und dazu noch um das Haupt den Heiligenschein; das
Lamm wendet sich zu ihm, weg vom anderen Adler mit rauhem Feder—
kleid, dem der Nimbus fehlt. Hier ist das Gericht angedeutet, die
Scheidung zur Rechten und zur Linken. (Beenken. Rom. Skulptur in
Deutschland, Abb. S. 61, 11. bis 12. Jahrhundert.) In Gernrode haben
wir daͤs „Urbild“ des Motivs.
Nach den Adlern folgt der Löwe. S. oben!
4. Der Jude. Es folgt ein Kopf in Vorderansicht, bartlos, gelockt;
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