Der Feiter im Bamberger Dom
Der unvergängliche unbex der von dem berühmten Reiterbilde im
Bamberger Dom ausgeht, entrückt es der Vergangenheit und macht die—
sen königlichen Helden zum Verkünder von Gedanken, die den Deutschen
von heute bewegen. Geschichtsfreunde, die sich in ein vorbildliches Mit—
telalter einträumen, finden, daß dieser Reiter alle edlen Eigenschaften
des deutschen Rittertums in sich vereine, sehen in ihm den staufischen
Menschen, vornehm, herrisch, voll beherrschter Leidenschaft. Solche rühm—
lichen Merkmale dem Steinbilde einzuprägen, lag dem seiner Größe
unbewußten Meister des dreizehnten Jahrhunderts ferne. Sein Name,
den er selbst nicht verewigt hat, ist vergessen. Wir dürfen uns einen
schlichten deutschen Mann vorstellen, einen wandernden Steinmetzen,
der keine Ahnung hatte von der zeitlosen Wirklichkeit, mit der sein Rei—
terbild nach sieben Jahrhunderten noch zu den Deutschen sprechen werde.
Aufgabe nüchterner Wissenschaft bleibt es, die ursprüngliche Bot—
schaft des Reiters wieder aufzudecken. Sie sieht sich zu dem Geständnis
genötigt: Allen Bemühungen der Forschung hat sich dieses Meisterwerk
der deutschen Plastik bisher verschlossen. So muß denn die Arbeit von
neuem einsetzen. Es ist unerläßlich, neuzeitliche Empfindungen und Er—
wartungen auszuschalten. Versuchen wir die Lösung des Rätsels zu fin—
den, indem wir mit der Beachtung der geistigen Verfassung und volks—
tümlicher Anschauungen des Mittelalters die Vergleichung mit den
eneer engeren und weiteren Umkreises der Zeit und des Ortes
verbinden.
Der Standort
Vor allem gilt unsere Aufmerksamkeit dem Standort des Reiters.
Es ist nahezu einmütige Ansicht der Kunstwissenschaft, daß dieses Bild
ebenso wie die gleichzeitigen Bildwerke der Heimsuchung im nördlichen
Seitengange des Georgenchores, n icht an dem ursprünglich dafür vor—
gesehenen Platze sich befinden. Jene Figuren waren vermutlich für Por—
tale bestimmt, die nicht in der vom Meister vorausgesetzten Art ausge—
führt worden sind. Für den Reiter kommt eine Wandöfläche oder Nische
am Außeren des Domes oder an einem Turme in Betracht. Nachdem
die Pläne abgeändert waren, wurde den Bildwerken, die schon fertig
waren, wegen ihrer Vortrefflichkeit ein, wenigstens für die der Heim—
suchung, nicht gerade glücklich gewählter Platz im Innenraume ange—
wiesen; die Aufstellung hat etwas von einem Notbehelf an sich. So kam
der Reiter, der mit dem Pferde 2,30 Meter mißt, an den nördͤlichen Pfei—
ler am Choraufgang. Die Blöcke, aus denen das Reiterbild zusammen—
gesetzt ist, sind nicht in den Pfeiler, an dem es steht, eingebaut, sondern
mit ihm nur verklammert. Als Freifigur war der Reiter nie gedacht;
seine Schulter lehnt an der Wand; das Fehlen des linken Beines be—
weist einwandfrei, daß das Werk als Wandmal geschaffen worden ist.
Nach allem wäre es eine falsche Voraussetzung, anzunehmen, die Bild—
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