Vorwort
Und diese Weissagungen waren nickht lediglich ein Spiel der
Einbildung oder des Aberglaubens. Wie die alte deutsche Sage von
der Entscheidungsschlacht in Westfalen auf die geschichtliche Tatsache
der Hermannsschlacht im Jahre 9 n. Chr. zurückverweist, so wies
jene französische Weissagung ebenfalls auf geschichtliche Tatsachen,
nämlich auf die Zukunft, auf französische Pläne hin. Die Weis—
sagungen der Madame de Thebes in Paris wären für unsere Staats⸗
nänner sehr beachtlich gewesen; denn sie sagte in ihrem Almanach
für 1913 die Ermordung des österreichischen Thronfolgers und den
Untergang Osterreichs voraus; sie hatte nämlich, wie sie selbst dann
im Almanach von 1014 berichtete, sehr gute Beziehungen zu all⸗
slavischen Kreisen, die damals schon die Ermordung des Erzherzog⸗
thronfolgers beschlossen hatten.
Uralte Schicksale vollziehen sich aufs neue; weil das deutsche
Volk das gleiche geblieben ist; in seiner ungeheuren Stärke, solange es
mit seinem Gewissen eins ist; in seiner gleich unglaublichen Schwäche,
wenn ihm sein Juneres gestört ist; sei es auch nur durch kluggesetzten
Trug des Feindes, den zu durchschauen ihm nicht gelingt; wie immer
der Arglose, der selber die Waffe der Lüge nicht führt, die Beute
des Trugkundigeren wird.
Uralte Geschicke vollenden sich; weil das deutsche Volk dasselbe
geblieben ist und seine Lage in der Herzgegend Europas, die nach
allen Seiten offen liegt. Aber diese merkwürdigen Zusammenhänge
der jüngsten Geschichte mit der ältesten gehen noch weiter, in Einzel⸗
heiten, die uns ganz wunderbar anmuten; daß uns fast ein Grauen
beschleichen möchte ob diesen uralten Vorbestimmungen und ihrer
geheimnisvollen Vollstreckung. Uralter Fluch der deutschen Kaiser⸗
geschichte vollzieht sich aufs neu; deutscher Bruderkampf der Welfen
gegen die Waiblinger. Der schwache Mann einer englisch⸗welfischen
Frau stößt den Hohenzollernkaiser, den Waiblinger, vom Thron, in⸗—
dem er zur falschesten Stunde, wo die Abdankung als Fahnenflucht
oor dem Feind erscheinen mußte, bewußt wahrheitswidrig die Ab—
dankungserklärung des Kaisers in die Welt schickt und so in dem
Augenblick, wo der Feind an der Grenze stand, dem Beer die Spitze
und die Fahne raubt.
Es sinkt der Aar vom Zollern, aufsteigt das Sachsenroß,
Ins Elend reitet der Kaiser, sie flaggen im Welfenschloß.
Es herrscht ein Prinz von Baden, den eine Welfin gefreit,
wie Brünhild wird sie ihm raten, dem Siegfriedenkel zu leid.
Der Nibelungen Klage rauscht wieder vom Donaustrom,
Und trauernd läuten die Glocken zu Worms im alten Dom.
Den Helden entsinken die Schwerter, sie stehen stumm und bleich
Und wieder hat ein Ende die Mär vom Deutschen Reich.
(Theodor Mauch, 1918.)