120 I St. Oswald —Wodan
hatte es wirklich schwer, die heilige Radegunde, daß sie ihrem
gestrengen Gemahl in der Nacht immer Anwandelungen leiblicher
Notdurft vorschützen mußte, um das eheliche Schlafgemach ver—
lassen zu können und in der Kapelle Bet⸗ und Bußübungen zu
machen. Aber man kann es andererseits verstehen, daß der König
unwillig wurde, als er den frommen Betrug durchschaute; um so
mehr als sich seine Frau bei diesen nächtlichen Bußübungen immer
maßlos erkältete; er habe eine Frau haben wollen und keine Nonne,
sagte der König unwillig.'7)
Die oben erwähnte Cegende des heiligen Wolfgang ist merk—
würdig. Sie wurde oben schon in anderem ZSusammenhang erwähnt.
Zur Zeit Ottos II. wären also noch Anhänger des alten Glaubens
in Regensburg ansässig gewesen. Man hat an sich keinen Grund
der Nachricht zu mißtrauen, da die älteren Quellen eher in um—
gekehrter Richtung voreingenommen sein werden, d. h. der heid—
nischen Überlieferung feindlich gegenüberstehen und sie eher ver—
leugnen. Die Nachricht könnte sich freilich, wie ebenfalls schon
erwähnt, auch auf noch heidnische Slawenvölker der weiteren Um—
gebung beziehen. Schriftliche Nachrichten dieser Art sind selten,
weil die schriftliche Überlieferung von der Kirche beherrscht ist,
die von einem gewissen Zeitpunkt solche Nachrichten über noch be—
stehendes Heidentum lieber unterdrückte. In anderer Form, in
mündlicher Überlieferung, in Sitten und Gebräuchen hat sich ja
sehr viel mehr aus vorchristlicher Zeit erhalten. Das hat uns
neuerdings die Volkskunde (folklore) im großen Umfang zum Be—
wußtsein gebracht, so jung diese Wissenschaft noch ist. Der Heiligen—
dienst der katholischen Kirche hat, wie mehrfach hervorzuheben war,
vieles Vorchristliche erhalten. Die katholische Kirche ließ gemäß
jener Weisung Gregors des Großen Vieles vom alten Volksglauben
bestehen, wenn es sich nur äußerlich dem kirchlichen Rahmen und
den Gebräuchen einfügte.
„Die Heiligenlegenden überliefern uns mit den verkappten
Göttern das wesentliche von gut heidnischen Kultussagen“ (Johann
Nepomuk Sepp, Das alte Askiburg, s. 70).
Wer sich einmal in Oberbayern den Leonhardiumritt ange—
sehen hat, etwa am 6. November in Leonhardspfunzen am Inn,
sieht jenen Zusammenhang lebendig vor Augen.
In der kleinen Leonhardskapelle an einer Quelle, dicht unter—
halb der auf der Höhe gelegenen größeren Kirche, an der die
77) Diese hl. Radegunde von Thüringen ist nicht zu verwechseln mit der hl. Rade⸗
zunde in der Augsburger Gegend, die als Maad dient und von Wölfen zerrissen wird.