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St. Oswald —Wodan
Trotz dieser Römeleien tritt auch in den heutigen Legendensammlungen
jene gewaltige Zeit der deutschen Geschichte, als die Stämme ihre großen
Siedelungsbewegungen nach Süden, Westen und Südosten vornahmen, jene
für die räumliche Ausbreitung des Deutschtums wichtigste Feit, noch deutlich
— Einzug in
Rom im Jahre 500 so sehr bewunderte; in dem hl. Rupert, dem hl. Walerich, dem
hol. Hermenegild u. a. Der hl. Siegismund, König der Burgunden, er, der ebenfalls
wie der Westgotenprinz Hermenegild für seine Verdienste im Kampf des römischen
gegen das arianische Christentum heilig geworden ist, und der auch wirklich außer
diesem Verdienst keine großen Ansprüche auf Heiligkeit erheben kann, ist in der neuen
Heiligenlegende nicht mehr erwähnt. Siegismund ließ auf Drängen seiner zweiten
Frau seinen Sohn aus erster Ehe, einen Enkel Dieterichs von Bern, ermorden. Dieser
bekriegte und besiegte dann die Burgunder. Albert von Hofmann (Politische Geschichte
der Deutschen, Bd. 1, S. 160) glaubt, daß diese geschichtlichen Catsachen, die Ermor—
dung des Königssohnes, der Sieg Dieterichs von Bern über die Burgunden, im
Nibelungenliede, wenn auch verwirrt und durcheinander geworfen, nachklingen.
Der Name Wodan selbst ist noch lebendiger in unserem Volk
als man weiß.
Wode, Wode
hol Dinem Rosse nur Foder
Nur Distel und Dorn
NYpers Jahr better Korn.
Dieser Spruch ist als Erntespruch noch für unsere Zeit über—
liefert (Grimm, Deutsche Mythologie, 5. 40).
Trotz aller Sammelarbeiten Grimms und ihrer Nachfolger
ist der hierher gehörige Stoff in der schriftlichen Überlieferung,
im Volksmund und in den Denkmälern längst noch nicht vollzählig
zusammengetragen. Folgender Zug ist vor zwei Jahrzehnten bei
Grasellenbach beobachtet worden. Dortige Einheimische, also Oden—
wälder Bauern, zogen, als es geblitzt und gedonnert hatte,
die Mützen ab und deuteten nach der Richtung des Blitzes mit den
Worten: „Da ist er hinaus“. Auf die Frage wer denn, hieß es:
„der Wode“
Die Raben, die dem Schlachtfelde folgen, dienen dem heiligen
Oswald und dem unbekannten Wanderer mit dem langen Bart und
dem grauen Mantel, der kein anderer ist als Wodan. Die Raben
Wodans fliegen um den Berg, in dem der Kaiser sitzt, aus dem
er hervorbrechen soll um in der höchsten Not sein Volk zu retten.
In der Nähe von Prenzlau, auf dem Rittergut Alexanderhof,
dem Herrn von Heyden gehörig, wurde 1901 ein auf drei Urnen
verteilter gröäßerer Fund von sogenanntem Hacksilber und Münzen
gemacht. Die Urnen werden für slawisch gehalten. Auch die zahl—
reichen arabischen Münzen, von der Sassanidenzeit beginnend, die
sich fanden, deuten auf einen slawischen Bändler als den, der