Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Dem unbekannten Gotte 
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durchaus ehrlicher Christ geworden sein und doch noch die alten 
Hötter fürchten. Der vangionische Franke in Worms konnte den christ⸗ 
lichen Heiligen Embett, Warbett und Willbett Kerzen brennen und 
doch dabei im Grunde seines Herzens noch an keltische und germa— 
nische Schicksalsschwestern, oder an ihre lateinische Anpassung, die 
drei Matronen, denken. Der Nemeter oder Vangione mochte den 
drei heiligen Müttern von Worms geopfert haben und doch weder 
der Nemetona von Kleinwinternheim noch der Maja Rosmerta von 
Finthen die gebührende Verehrung versagen. Die Nemetona war 
wahrscheinlich (Bonner Jahrbücher 1888 5. 99) „eine germanische 
Uriegsgöttin“, der aber auch A. Fabricius Vejento, ein Mitglied des 
ältesten römischen Adels, hoher Würdenträger und Freund meh— 
rerer Kaiser, bei gelegentlicher Abwesenheit in Obergermanien ein 
Weihegeschenk stiftete (Sammlung Mainz). In Seiten, wenn alte 
Glaubensformen stürzen und neue sich bilden, werden notwendig 
zusammenhänge zwischen verschiedenen Götterwelten im Volksgemüt 
entstehen, auch wenn diese Götterwelten in ihrer amtlichen Form 
sich lebhaft bekämpfen, was in römisch⸗germanischer Zeit gar nicht 
der Fall war. Dem Volk sind die Glaubenströstungen und Hoff— 
nungen, die es einmal besitzt, viel zu wichtig, als daß es sie so leicht 
aufgebe gegen neue Versprechungen. Da wendet sich das Volk ganz 
bewußt an verschiedene Stellen gleichzeitig um Hilfe; in dem Be— 
streben, sich auf jeden Fall einen Beistand zu sichern. In solchen 
Zeiten, wenn alte Götterwelten von Neuerungen und Umsturz be— 
drängt werden und der Zweifel begonnen hat, sind es dann vielfach 
ganz nüchterne Zweckmäßigkeitsrücksichten, die die Wahl bestimmen. 
Man will den stärksten und hilfreichsten Beschützer. „Als König 
Edwin von Northumberland im Jahre 627 zum Christentum über— 
trat, riet ihm sein Oberpriester Coifi selbst dazu, der bis dahin den 
heidnischen Göttern eifrig gedient, aber keinen rechten Nutzen davon 
oerspürt hatte“ (E. Windisch, Das keltische Britannien, Abhand— 
lungen der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, 1912, 5. 72). 
Hinter dem palatinischen Hügel in Rom steht ein Altar mit 
der Inschrift: Sei deo sei deivae sacrum; bestimmt für 
einen Gott oder eine Göttin; wie der Altar, der in der Apostel— 
geschichte erwähnt wird: „Dem unbekannten Gott.“ 
Das sinkende Rom ist der eigentliche und bisher in der Ge— 
schichte in dieser Art einzigartige Schauplatz solchen Auswählens 
und Suchens unter den Gottheiten verschiedenster Herkunft, die sich 
durch die Völker- und Rassenmischung im römischen Weltreich zu⸗ 
sammenfanden. Aus der Zeit Hadrians stammen die vielfach ge— 
fundenen Allergöttersteine, die nach der Inschrift geweiht sind
	        
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