Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Dem unbekannten Gotte 
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Altar errichteten, war schon die Rede (oben Abschnitt 2). Er ist 
wohl sicher mit Ziu oder Er oder Saxnot, dem Schwertgott, gleich⸗ 
zusetzen. Die beiden Alaisiagen, Beda, Fimmilena, die mit dem 
Schwertgott Thingsus zusammen genannt werden, sind vielleicht als 
Walküren aufzufassen, wie die Schwanenjungfrauen der Wieland— 
sage. Die Idisen des ersten Merseburger Zauberspruchs gehören 
vielleicht auch hierher. 
„Wer sich daran erinnert, daß die Equites singulares aus den 
germanischen Ceibwächtern des Kaisers hervorgegangen sind, wird 
auf Grund der eigentümlichen Geltung der germanischen Rultur im 
Hheer hier die germanischen Götter Wodan und Donar erkennen 
müssen . . . Ist die Anerkennung des Donar in der Gestalt des Her— 
kules so alt im römischen Heer (schon im 3. Jahrhundert) . .., so 
fällt auf den Namen Herkulius, den Maximinius angenommen, ein 
neues Licht. Denn dann ist die eigentliche Ursache dieser Namens— 
annahme die Verehrung des Donar im Westheer. Der Herrscher 
des Westens heißt nach dem deutschen Gott“ (Domaszewski). 
Der römische Kaiser hätte sich also mit der Annahme dieses Bei— 
namens bei den Deutschen beliebt machen wollen, die den Kern 
seines Heeres bildeten. Diese Tatsache würde die unten berichtete 
Auffassung unterstützen, daß Kaiser Konstantin, als er nach der 
Schlacht gegen Maxentius den christlichen Glauben annahm, das 
Sinnbild des Christussiegels absichtlich in dieser Form wählte; näm— 
lich damit es Zusammenhang mit den Glaubenssinnbildern behielt, 
die in seinem vorwiegend germanischen Heer verehrt wurden. Er 
wählte das sechsspeichige Kreuz mit dem kleinen Rhohaken, das als 
die Anfangsbuchstaben des Namen Christi Ch—rho aufgefaßt wer— 
den konnte und zugleich fast genau so aussah, wie das alt-heilige 
Sinnbild des Sonnenrades (vgl. unten Abschnitt 2)). 
Einer ursprünglichen an Vielheit der Götter ohnedies gewohn— 
ten Auffassung ist das Nebeneinander auch ganz verschiedener Götter— 
welten gedanklich möglich. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands 
Bd. J 5. 388) berichtet, daß es im Anfang des 8. Jahrhunderts in 
gewissen Gegenden „Priester gegeben habe, welche tauften ... die— 
jenigen, die es verlangten: sie brachten aber auch dem Wuotan 
Opfer dar“. 
Albrecht Dieterich schreibt in seiner großzügigen, erst nach sei— 
nem Tode herausgegebenen Geschichte des Untergangs der antiken 
Religion: „Es ist beinahe ein Gesetz, daß jede große Volksnot zu 
einem mächtigen fremden Gotte beten lehrt . . . Am deutlichsten ist 
das in Rom, won die Einführung der großen Göttermutter aus Pry— 
gien in der Not des zweiten punischen Kriegs, die Aufnahme des
	        
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