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Der wilde Jäger
Künstlers wiedergegeben ist, sind die jagenden Hunde sehr gut ge—
zeichnet und sehr lebendig. Auch der Reiter, soweit man ihn noch
erkennen kann. CLamparter Steinmetzen sind in dieser Zeit bezeugt.118)
Es kommt aber noch ein weiteres hinzu. Die Hunde haben
zroße Ähnlichkeit mit den Hunden, die auf dem Toreingang von San
Zeno in Verona den Hirsch jagen, der Dieterich von Bern, den
Arianer, in die Bölle lockt.
Dort in San Zeno ist diese Deutung ausdrücklich bezeugt durch
eine entsprechende Inschrift, die der langobardische Steinmetz dort
anbrachte. Diese Inschrift gibt uns nun einen Fingerzeig für ähn—
liche Darstellungen auch an anderen Kirchen. Dort in Welsch-Bern
gestaltet der katholische Camparter den arianischen Ostgotenkönig
als den Anführer des höllischen Jagdzugs. Daß ein Hirsch den hitzig
hinterher jagenden Jäger in die Irre führt, ist ein uralter und häu—
fig vorkommender Sagenzug; so in dem schwäbischen Volksmärchen
oon Donner, Blitz und Wetter.
Die starke Verschiedenheit der künstlerischen Art zwischen den
Darstellungen der Hunde und des Reiters unten und der Mutter—
gottes oben am Gmünder Südportal hat vielleicht noch einen an—
deren Grund. Es läßt sich allgemeiner beobachten, daß ein Rünstler
der Frühzeit eher in der Darstellung von Tieren zu einer gewissen
Freiheit und Unbefangenheit der Beobachtung kommt, als in der
Darstellung des Menschen. Der Grund ist wohl der, daß er jenen
mnerlich sicherer und freier gegenübertritt, während er in der Dar—
tellung des Menschen stärker durch die Überlieferung gebunden ist.
Man kann auch an die als Naturbeobachtung merkwürdig voll⸗
endeten Zeichnungen von Mammuth, Wildpferd, Renntier aus vor—
geschichtlicher Zeit denken. Freilich hat man (Max Verworn) diesen
gegenüber wohl mit Recht darauf hingewiesen, daß diese gute Natur—
beobachtung gegenüber späteren ganz steifen und linienhaften Bild—
nereien überhaupt eine frühere Stufe der Darstellungskunst be—
deutet, so auffällig das auf den ersten Blick erscheint. Jene erste
Stufe ist noch völlig unbefangen; sie beobachtet und gestaltet nur
auf Grund des unmittelbaren Sinneseindrucks, während eine spätere
Stufe, von Überlegung beeinflußt, ihre Gedankenbilder, ihr Wissen
1ui8) E. A. Stückelberg würde die Bandverschlingung wohl sogar unmittelbar
als ein Kennzeichen langobardischer Werkleute ansprechen. Aber das ist wohl etwas
zu eng. Mohrmann und CEichwede, Germanische Frühkunst, heben richtig hervor,
daß Stückelberg räumlich das Gebiet, aus dem er seinen Vergleichsstoff schöpft. zu
eng gezogen hat. Eine künftige Auflage von Stückelbergs sehr verdienstlichem Werk
wird über die gezogenen Grenzen hinausgehen müssen und dann diese Bandverzierungen
auch in Gebieten finden, wo sie nicht wohl unmittelbar von langobardischen Steinmetzen
zemacht sein können. Val. unten Abschnitt VUr. 28.