Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

212 Der Wettermacher Donar— St. Peter 
lindener Kirche erhebt sich auf einem besonders im Gelände hervor— 
tretenden Hügel, der für das Gemeindeleben der Gegend immer 
eine besondere Bedeutung gehabt hat. Der Hügel war kirchlicher 
und politischer Mittelpunkt und die Gerichtsstätte für einen größeren 
Bezirk, für die Lindener Mark. Es haben sich schöne romanische 
Eingangstore eines Amtshauses erhalten, das die Ansprüche und die 
Mittel der engeren Gemeinde Großlinden sicher überstieg. Die Kirche 
heißt im Volksmund noch heute die Peterskathedrale, wie mir der 
jetzige dortige Pfarrer erzählt hat. Sie war Mutterkirche eines 
großen Bezirks. Noch in späten christlichen Jahrhunderten werden 
die umliegenden Gemeinden, obwohl 
sie längst eigene Pfarreien sind, im 
Rechtswege zu den Baulasten der 
Großlindener Kirche herangezogen. 
Die merkwürdige Kirche Dom— 
peter bei Avolsheim im Unterelsaß, 
die kürzlich durch Georg Weise ein— 
zehend untersucht worden ist, ist 
ebenfalls von sehr früher Gründung 
und Mutterkirche von Avolsheim und 
Molsheim. Es ist auffällig, daß die 
erste Kirche dieser Gegend abseits der 
Ortschaften gegründet wurde. Diese 
GHründung wäre dann so zu erklären, 
daß an der Stelle ein germanisches 
Heiligtum und zwar vermutlich ein 
dem Donar geweihtes bestand. 
Ich bringe die Bildhauereien der 
Großlindener Kirche, ohne hier eine 
eigene Deutung zu versuchen. Nur das behaupte ich allerdings im 
Zusammenhang mit den Bildhauereien von Zürich (siehe Abschnitt 8 
dieser Schrift), Regensburg (siehe den Abschnitt 3), Berchtesgaden 
(siehe den Abschnitt 5), Andlau (siehe den Abschnitt 7), daß die 
Bildnereien an einer Kirche keineswegs immer eine kirchliche Be— 
deutung haben müssen. 
Das obere Rund im Großlindener Kircheneingang enthält sicher 
die Erzählung eines bestimmten Vorgangs. Neuerdings hat man die 
Legende des heiligen Wenzel zur Erklärung herangezogen. Er genoß 
hier früher eine große Verehrung, wie man aus der Namengebung 
in dieser Gegend während bestimmter Jahrhunderte nachgewiesen 
hat. Sehr überzeugend ist freilich diese Deutung im einzelnen nicht 
und das spricht gegen sie; denn wo man einmal die richtige Deu— 
Abb. 724. 
tlircheneingang aus Avolsheim im Elsaß 
(nach „Dehio, Gesch. d. deutsch. Kunst“).
	        
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