Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Der Wettermacher Donar —St. Peter 
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tung hat, ist sie meist schlagend. Die Künstler dieser Zeiten wissen 
ganz gut zu erzählen. Das erkennt man freilich erst wenn man weiß, 
was sie erzählen wollten. 
Am Baptisterium zu Parma findet sich im Bogenfeld der Süd— 
türe die Darstellung eines Mannes, der in den Zweigen eines 
Baumes sitzt und Honigwaben zum Munde führt (Abbild bei F. X. 
UNraus, Christliche Kunst, 2. Band S. 409). Unten lauert ein Drache 
und die Wurzeln des Baumes werden von rattenähnlichen Tieren 
benagt. Man hat früher auch hier an eine Deutung aus der nor— 
dischen Sage gedacht; an die Weltesche und die an ihren Wurzeln 
nagenden Mäuse; bis jemand auf die Geschichte von Balaam und 
Josaphat kam, die irgendwie aus Indien in die christliche Heiligen— 
legende eingeflossen ist. Diese Deutung ist unzweifelhaft die richtige. 
Man braucht nur die Legende, etwa in der Fassung des Heiligen— 
buchs von 1488, einmal vor der Darstellung zu lesen, um davon 
pöllig überzeugt zu sein. Die tiefsinnige indische Erzählung, die 
übrigens in ihrer Lebensmüdigkeit und Übergedanklichkeit merkwür— 
dig absticht von den anderen Heiligengeschichten des deutschen Hei— 
ligenbuchs, soll die Nichtigkeit des menschlichen Strebens nach Genuß 
der Stunde vor Augen führen. Der Mann im Baum, der nach der 
honigwabe greift, obwohl der Drache ihn bedroht, der ihn nach dem 
unausbleiblichen Fall des schon angenagten Baums verschlingen 
wird, ist der Mensch, der in diesem, jeden Augenblick von Tod und 
Krankheit bedrängten Leben doch noch so unbesonnen in der kurzen 
Zeitspanne lebt, um nach Genüssen zu jagen. — Ebenso ist die Deu— 
tung des SFüricher Flachbildes als Zweikampf (vgl. oben Abschnitt 8) 
and die Deutung der Säule im Berchtesgadener Kreuzgang auf Ziu 
und den Fenriswolf (vgl. oben Abschnitt 3) völlig überzeugend, sowie 
man nur einmal auf diese Deutungen gekommen ist. — Ich behaupte 
von der Darstellung im äußeren Bogenfeld der Großlindener Kirche 
links unten, mit den einzelnen Köpfen in kleinen Bogen und dem 
Knieenden vor dem Mann mit Knüppel, daß sie einen gerichtlichen 
zZweikampf vor Zuschauern darstellt, indem der ÜUberwundene den 
Sieger um Gnade bittet (vgl. oben Abschnitt 8 am Ende). 
Auf dem inneren Bogenfeld sind Mächte dargestellt, die dem 
Christen feindlich sind. Sie sind da eingemeiselt, um sie zu bannen und 
oon dem Imeren der Kirche fernzuhalten. Der Hornträger mag 
an die wilde Jagd erinnern. Dem Volk der Hessen, außer den Friesen 
dem einzigen deutschen Stamm, der seit den ersten Nachrichten über 
Germanien dieselben Sitze festgehalten hat, ist der Sagenkreis der 
wilden Jagd und selbst der Name Wode noch lebendig; ich erinnere 
an den Schnellertz in dem freilich nicht eigentlich und dem Stamme
	        
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