Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Sonnenverehrung 
Halsbänder, die viel zu schwer sind, als daß sie, außer vielleicht für 
ganz kurze Zeit zu feierlichen Handlungen, hätten am Leibe getragen 
werden können. Der große Halsschmuck von Babow, im Berliner 
Dölkerkundemuseum, wiegt 2131 Gramm. So unbequem zu tragende 
Stücke sind vermutlich von vornherein als Weihegaben für die 
Heiligtümer gearbeitet. 
Daß solche Tempelschätze bei germanischen Heiligtümern sich 
fanden, ist geschichtlich bezeugt. So wird im Leben des hil. Cudger 
erzählt, daß bei Serstörung eines Heiligtumes der Friesen viel 
Gold und Silber gefunden und an Karl den Großen abgeliefert wor— 
den sei; das gleiche berichten die Corscher Annalen von der Zer— 
störung des sächsischen Heiligtums auf der Eresburg. Der Ebers— 
walder Goldfund enthielt eine große Zahl geringelter Golddrähte, 
Goldspiralen. Die erhobenen Hände des Steinbilds an der Spital— 
kirche in Tübingen tragen einen Schmuck um das Handgelenk, dessen 
Form durchaus jenen goldenen, gewundenen Armbändern des Ebers— 
walder Goldfundes entspricht. Die Eberswalder Reifen entsprechen 
zwar nicht der Breite des Handgelenks; sie sind „ju eng für den Arm 
und zu weit für den Finger“. Aber das weiche Gold ist so biegsam, 
daß man aus dieser Aufrollung, die jederzeit geändert werden kann 
und die vielleicht nur zum Zweck der Aufbewahrung erfolgte, nicht 
unbedingt zu schließen braucht, sie könnten nur im Haar getragen 
worden sein (Carl Schuchhardt, Alt⸗Europa 85. 20). 
Der der Verdammnis im Löwenrachen anheimgefallene Heiden— 
priester des Säulenfußes von Speyer trägt die Armringe (vgl. oben); 
die sogenannte heilige Kunigunde in Burgerroth, die sicher eine 
vorchristliche Gottheit ist; die gefesselten kleinen Dämonen am Tür— 
gewände der Schottenkirche St. Jakob in Regensburg tragen eben— 
falls die Armringe. 
Das Tübinger Flachbild würde die Meinung Rossinnas von der 
gottesdienstlichen Bedeutung der Eberswalder Goldsachen erheblich 
unterstützen. Merkwürdig bleibt ja auf dem Tübinger Bild die 
Stellung der Arme zu den Sonnenkreisen. Diese nehmen den Platz 
des Kopfes ein und passen im Grunde nicht zu der Auffassung, daß 
die erhobenen Hände eine Beterstellung bedeuten. Oder ist es der 
Gott selbst, der die Arme, geschmückt mit den Weihegeschenken seiner 
Herehrer, gewährend erhebt? 
Der Bauherr der Kirche in gotischer Zeit hat die Feindlichkeit 
dieser Denkmale noch empfunden. Er hat sie eingemauert an der 
Außenseite der Kirche, um die unholden Mächte zu bannen und sie 
bon den Wohltaten der Kirche auszuschließen, die im Inneren ge— 
pendet werden.
	        
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