Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Kreuz und Sonnenrad 
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rückwärts hat.“ Schultze nennt sogar die Frage darnach eine müßige. 
Aber warum diese fromme Scheu? als ob es der Sache irgend etwas 
raubte, wenn die neuere und zugegebenerweise edlere menschliche 
Ehrfurchtsform (religio) mit den früheren Formen geschichtlich 
zusammenhängt. 
Eugen Müller, Straßburg, katholischer Theologe und RKunst— 
geschichtler, hält eine vorchristliche Beziehung des Kreuzsinnbildes 
für sehr wahrscheinlich; gelegentlich einer Besprechung der merk— 
würdigen Sinnbilder am Torbogen der Adelphikirche in Neuweiler 
im Elsaß; wenn ich mich recht erinnere; ich kann bei dem derzeitigen 
Zustand der wissenschaftlichen Verbindungen nach dem Elsaß den 
Hinweis nicht genauer geben. 
Karl Maria Kaufmann, Handbuch der christlichen Archäologie, 
5. 100, Kreuz und Monogramm, berührt die vorchristlichen Be— 
ziehungen des Kreuzzeichens gar nicht, außer einem Hinweis auf 
das ägyptische CLebenszeichen, 7 .Die Verbindung dieses Feichens mit 
dem Kreuz ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie überall die neue 
Glaubensform die altgeweihten Zeichen zu übernehmen und für ihre 
Zwecke zu verwenden sucht. 
Es ist Lästerung Gottes und der Geschichte, wenn man die Wirksamkeit 
lebendiger Glaubensüberzeugungen unter den Menschen erst mit einem bestimmten und 
verhältnismäßig späten Zeitpunkt, nämlich vor 1921 Jahren, beginnen lassen will. 
Freilich wurde damals das bisher wirkunssreichste ethische Genie der Menschheit 
zeboren. Will aber deshalb jemand bestreiten, daß nicht auch Sokrates oder Buddha 
Zeugen einer gewaltigen Gewissenskraft waren uund deshalb auch aufbauende Kräfte 
des religiösen Lebens der Menschheit, die mindestens den Durchschnitt der Christen- 
nenschheit an Glaubenskraft weit übertrafen? Wollen das wirklich jene Vertreter 
der christlichen Kirche bestreiten? Vielleicht aus ängstlicher Besorgnis für ihre nicht 
allzufest verankerten Überzeugungen. Wirkliche Glaubenskraft ist angeborene Genie- 
sache, wie jede andere wirklich schöpferische Kraft — also können sie schließlich ja nichts 
für ihre Schwäche. Aber eine Schwäche des religiösen Empfindens ist es, wenn 
beamtete und bepfründete Priester meist den wahrhaft Religiösen, sofern er einer 
anderen Ehrfurchtsform angehört als der von ihnen vertretenen, emsiger hassen und 
verfolgen als den ganz Glaubenslosen, der keine Ehrfurcht (Religion) hat. 
Es nimmt ja doch der christlichen Lehre nichts, sondern es wird im Gegenteil 
für jeden Denkenden ihre Eindrucksamkeit erhöhen, wenn inhaltliche Ubereinstimmungen 
und selbst unmittelbare Übernahmen aus älteren Ehrfurchtsformen (religio) nach⸗ 
gewiesen werden. „So manche Gestalt, mancher Name und mancher Mythus aus 
der altägyptischen Götterwelt ist in die Lehre der Gnostiker übergegangen, endlich 
teilweise auch in das Christentum aufgenommen und lebt dort bis in unsere Cage 
fort, wie die Gruppe der Gottesmutter mit dem Kinde, die sich aus Isis mit dem 
Horusknaben auf dem Schoße entwickelt hat, und der Heilige Onnuphrios, dessen Name 
wahrscheinlich auf das Beiwort Wennofre des Osiris zurückgeht. Der ägpptische 
Gedankenkreis vom Fortleben nach dem Tode hat auf alle Völker, die mit ihm in 
Berührung kamen, den stärksten Eindruck gemacht“ (G. Röder, Die Denkmäler des 
Polizäusmusenms zu Bildesheim, 1921). — Die Verehrung der Mütterlichkeit, die
	        
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