Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Kreuz und Sonnenrad 
Radkreis, der das Kreuz umschloß, so lange es noch Sonnenbild 
war? Es scheint mir nicht wahrscheinlich, daß dieser lampartische 
Uünstler seinem bloßen Ziertriebe so nachgegeben hätte, und eine 
derartige bloße Verzierung angebracht hätte an dem höchsten Sinn— 
bild des christlichen Glaubens, dem Kreuze Christi. 
„Auffällig häufig“ ist nach Heinrich Bergner (Handbuch der 
hristlichen Kunstaltertümer, s. 558) über Eingangstoren und 
an anderen Stellen in christlichen Kirchen das Sonnenkreuz oder 
Sonnenrad angebracht; freilich, „es fließt mit dem kanonischen 
Weihekreuz unmerklich zusammen“ (Bergner). Dieses Zusammen— 
fließen würde ja ganz in Einklang bleiben mit den so vielfach in 
unserem Zusammenhang erwähnten Weisungen Gregor des Gr. 
oon 601, daß man die alten Verehrungsstätten und Ehrfurchtszeichen 
allmählich ins Christliche überführen solle. 
Im fränkischen Museum in Würzburg wird ein rotsandsteinerner 
Türsturz aufbewahrt, der in besonders auffälliger Weise die Gleich— 
ordnung beider Sinnbilder aufweist; nämlich das christliche Kreuz 
neben dem alten Sonnensinnbild. Auf diesem Türsturz, der aus 
frühromanischer Zeit stammen mag, finden sich in der Mitte zwei 
gleich einer Staude nebeneinander nach beiden Seiten aufwachsende 
Kreiswindungen, links und rechts davon zwei Kreuze und noch weiter 
links und rechts sechsstrahlige, von einem Kreis eingeschlossene 
Sterne; genau in der Form wie auf dem eingemauerten Bogen— 
felde der Kirche in Murrhardt und wie auf dem Stein von Bieten— 
hausen. Das oben besprochene Flachbild von Murrhardt beweist, 
daß dieses sechsstrahlige Kreisgebilde damals, also zur Staufenzeit, 
der Kirche noch als ein im Volk lebendiges und daher bekämpfens— 
wertes Sinnbild des vorchristlichen Glaubens erschien. Auf dem 
Würzburger Cürsturz kommen die gleichen Sterne vor. J 
Aus Geisenheim im Rheingau stammt ein bildhauerisch ver— 
zierter Stein, der jedenfalls auch als Türsturz gedient hat und 
der in dem gleichen Zusammenhang bemerkenswert ist Massau— 
ische Annalen, 42. Bd., 1913, Wiesbaden 1914. E. Brenner, Eine 
neu aufgefundene vorromanische Skulptur aus dem Rheingau). 
Auf dem Stein findet sich in der Mitte in kleinem Maßstab und 
in sehr unbeholfener Ausführung der Gekreuzigte, bekleidet; links 
und rechts zwei kleine Kreuze, aber ohne Andeutung der Schächer. 
Auf diesem Türsturz nun ist viermal der achtzackige Strahlenstern 
angebracht; sicher als Zauberzeichen und zwar hier wohl als 
Zeichen eines wohltätigen, freundlichen Zaubers. Die Tür, durch 
die man ein- und ausgeht, ist, wie mehrfach im Caufe dieser Unter—
	        
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