Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Kreuz und Sonnenrad 
förmige Gebilde und Hakenkreuz (ogl. für dies auch den nächsten 
Abschnitt) noch an zweifellos christlichen Denkmälern vorkommen; 
an Stellen und in Verbindung mit christlichen Sinnbildern, wo sie 
offensichtlich nicht als bloße Verzierung gemeint sein können sondern 
eine besondere übersinnliche Bedeutung haben müssen. 
Es wurde oben der frühchristliche Grabstein der Bertiswindis 
und des Randoaldus aus Mainz erwähnt, wo die Radkreise um 
das christliche Kreuz gestellt sind. Ein dem Mars und der Nemetona 
geweihter also noch rein heidnischer Stein aus Mannheim zeigt 
die Radkreise in ganz entsprechender Form. 
An einem Kapitäl in der Kirche des heiligen Ambrosius in 
Mailand halten zwei fliegende Engel ein achtspeichiges Rad;138) 
an einem säulentragenden Greifen im Dom zu Verona findet sich 
ein achtspeichiges Rad und ein strahlenumgebener Kopf. 
Stadt und Stift Mainz, der Sitz des Erzbischofs und Kur— 
fürsten, der der erste unter den Würdenträgern des heiligen römi— 
schen Reichs deutscher Nation und der Kanzler für Germanien 
war, führten ein Rad im Wappen (vgl. Bernhard Schädel, Der 
Namen und das Rad der Stadt Mainz, 1899). Man hat den 
Namen Mogontiakum und daraus das Wappen der Stadt Mainz 
von dem keltischen Gott Mogon abgeleitet, der ein Rad führt. 
Ob das richtig ist, bleibe dahingestellt. Aber sicher ist, daß das 
Rad mit Speichen, die es, wenn es nur vier sind, dem Kreuze an— 
gleichen, in vorchristlicher Zeit ein Heiltumszeichen war und mit 
GHötterverehrung zusammenhing. 
Da wir aus ihren bestimmten Anweisungen und aus dem 
Verhalten der Kirche wissen, daß sie die vorchristlichen Sinn— 
bilder wo sie konnte lieber umdeutete als vernichtete und daß 
das Volk mit unglaublicher Zähigkeit an seinen gewohnten und 
einmal eingebürgerten Glaubensvorstellungen und noch zäher an 
den gewohnten Sinnbildern zu haften pflegt, so ist es eben, sagen 
wir, bis zur Sicherheit wahrscheinlich, daß das Radsinnbild auch 
noch später, nach der amtlichen Einführung des Christentums, eine 
übersinnliche Bedeutung hatte, ein Glaubensbild war. Und diese 
uralte Überlieferung, deren CTräger und Sinnbild das Rad war, 
war eben die Sonnenverehrung. Daß es als solches teils bekämpft 
wurde, wie in Murrhardt, teils lieber verchristlicht und übernommen 
wurde, ist, wie schon erwähnt, gerade kennzeichnend und eine fest— 
stehende Form derartiger glaubensgeschichtlicher Entwicklungen. 
9 132) Die hl. Katharina und ihr Marterwerkzeug, das Rad, kommt hier nicht 
n Frade.
	        
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