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Heidenkirchlein
ebenfalls eine Stätte von uralter Weihung ist, hat eine sehr alte
Kapelle von achteckigem Grundriß.«47)
Die Höhe von Komburg in Schwaben, auf der sich die merk—
würdige romanische Kapelle mit ringseckigem Grundriß findet, war
zwar nachweislich zuerst Grafensitz, ehe sie Benediktinerkloster wurde.
Aber das schließt nicht aus, daß der Berg schon vor dem Bestehen
des Herrensitzes eine kultische Bedeutung hatte. Bei dem Hohen—
zollern, der halb Schwaben beherrscht, macht das merkwürdige
frühe Michaelsbild dies sehr wahrscheinlich. Die auf dem Hohen—
zollern vorhanden gewesene romanische Michelskapelle wurde erst
401 durch eine gotische ersetzt.
„Die St. Johanniskirche zu Weißenkirchen auf einem weithin
beherrschenden Standorte und andere sind zu dem Zwecke erbaut
worden, den Sonnenkultus zu verdrängen“, schreibt Alois Huber in
seiner vom bischöflichen Ordinariat in Salzburg approbierten Ge—
schichte der Einführung und Verbreitung des Christentums in Südost—
deutschland. Die schon erwähnte alte Gnadenkapelle in Altötting
ist als Mittelpunktsbau an sich ebenfalls zur Himmelsbeobachtung
geeignet. Auch die karolingischen und vorkarolingischen Mittel—
punktsbauten gehen keineswegs alle auf ravennatische Vorbilder
bzw. auf Aachen und Essen zurück. Das in den achtziger Jahren
des neunzehnten Jahrhunderts umgebaute und entweihte Rund—
kirchlein des heiligen Quirinus in Gries bei Bozen soll in der
zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts von zwei bayerischen
Adeligen, Adelbert und Othar, gebaut sein. Schon oben wurde
erwähnt, daß die Rirchen, die die Überlieferung schon Heidenkirchen
141) „Man hat, da bei der Einführung des Christentums heidnische Vorstellungen
und Gebräuche in den neuen Glauben übergingen, nicht mit Unrecht die schwarzen
Nadonnenbilder mit den dunklen Bildern der heidnischen Göttin in Verbindung
zebracht“, sagt B. Schaaffhausen, Eine römische Adicula von Carden an der Mosel,
VSonner Jahrbücher, Heft 89, 1890. Es bleibe dahingestellt, wie weit das, in so
allgemeiner Art ausgesprochen, richtig ist. Schaaffhausen hat manche gewagte Be—
zauptung aufgestellt und ist sogar mehrfach unmittelbaren Fälschungen zum Opfer
zefallen. Das wundertätige Muttergottesbild in Altötting heißt die schwarze Mutter
Hottes. Es ist ein gutes KNunstwerk aus gotischer Zeit, das durch die vielen, seit
Jahrhunderten vor ihm brennenden Kerzen geschwärzt ist, und vielleicht kommt die
Sezeichnung einfach daher. Andrerseits ist aber Altötting, die alte Malstätte der
Sayern, sicher ein vorchristliches Heiligtum gewesen, wie selbst der Führer für die
Pilger erzählt. Die kleine Kirche ist, wie schon erwähnt, achteckig und in ihrer
Gruündanlage karolingisch, wenn nicht noch älter. Der reiche Schatz von Weihegaben
erinnert an die alten heidnischen Tempelschätze, von denen uns bei der Erstürmung
der Eresburg durch Karl den Großen, bei der Ferstörung eines friesischen Heiligtums
durch den hl. Ludger und anderweit berichtet wird, und von denen uns vielleicht im
Holdfund von Eberswalde unmittelbar einer in die Hände gefallen ist. — Dem an
sich, wie schon erwähnt, künstlerisch recht guten Muttergottesbild in Altötting wird jetzt
ein reich mit Edelsteinen und Perlen geschmücktes Gewand umgehängt; das ist jedenfalls
sehr urtümlich und bedeutet mindestens künstlerisch und für die Geschmackskultur einen
Rückschritt der Neuzeit hinter jene gotische Zeit, die das Standbild einst geschaffen hat.