Das Männliche
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heim;160) aus linksrheinischem Niederfranken, das Hemmendorfer
Steinbild; die Cannstatter Ringe; die vielleicht auch verstümmelten
Steinbilder von Belsen und Rietheim und die sehr unbestimmten
Nachrichten aus Rottenburg von einem angeblichen Steinbild
mit männlichem Glied. Nur die Nachricht des Adam von Bremen
oon den Götterbildern in Upsala würde ähnliches für ger—
manische Gebiete dartun. Die Nachricht ist aber recht vereinzelt.
Die Felszeichnungen von Bohuslän in Schweden enthalten auch Her—
vorhebungen des Phallus; aber welcher Zeit und welchem Volke
gehören sie an? Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß jene Spuren
oon Phallusverehrung aus Deutschland auf die kelto⸗römische Be⸗
völkerung zurückgehen und nicht germanisch sind. Die starke Be⸗
tonung des Geschlechtlichen hängt ja offenbar mit der stärker ge⸗
reizten Sinnlichkeit des Südländers zusammen; sie spielt daher all⸗
gemein im Süden, so in Süditalien und Indien, eine große Rolle.
Was aber vor allem für die südliche Heimat jener Phallusverehrung
— wenn manüberhaupt die paar Spuren davon im Vorden als beweis
kräftig anerkennen will — spricht, ist der Umstand, daß sie dort, wo
sie wirklich bestand, auch heute noch im Volk lebendig ist;
während tatsächlich in deutschen CLanden sich heute keine Spur davon
beobachten läßt. Wäre sie je bei uns lebendig gewesen, so müßten
sich in den tieferen Schichten des Volkes auch hHeute noch mindestens
Reste davon finden. Die urtümlichen Glaubensvorstellungen längst
vergangener Zeiten sind ja meist noch in der Tiefe der Volksseele in
irgend welcher Form vorhanden, wenn sie dann auch von der herr—
schenden Kirche Aberglauben genannt werden. In Süditalien trägt
auch heute noch der Mann aus dem Volk sein Heilszeichen zur Ab—
wehr des bösen Blicks in Gestalt eines Phallus. In Deutschland gibt
es davon, soweit ich sehe, keine Spur. Diese wäre aber sicher vor⸗
handen, wenn jene Vorstellungen geherrscht hätten. Richard Andrees
sehr sorgfältige, nahezu erschöpfende Arbeit über „Votive und Weihe⸗
Zzaben des katholischen Volks in Süddeutschland“ bringt, neben den
vielen tausenden von Sinnbildern und Formen, die dort behandelt
werden, gerade drei kleine Eisenmännlein mit hervorgehobenem Ge—
schlechtsteil zusammen; und von diesen ist es „nicht zweifelhaft, daß
es sich um Weihegaben Geschlechtskranker handelt“ (S. 1), die um
heilung beten; also keineswegs verraten diese eisernen Männlein
einen beabsichtigten Geschlechtszauber oder gar eine Verehrung des
Sinnbildes der Zeugung.
uo) In der Umgegend von Batavia liegt ein altes holländisches Kanonenrohr,
das von den eingeborenen Weibern in ganz ähnlicher Weise, wie es von Emmetsheim
berichtet wird, um Kindersegen angegangen wird