Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

26 Der Hain des Schwertgottes 
christliche Missionare in China, die den ungeheuerlichen Frevel emp— 
fehlen, die Ahnenkapellen absichtlich zu zerstören, hatte Papst Gregor 
der Große so viel wirkliches religiöses Gefühl, daß er die Ehr— 
furcht als solche achtete; die Voraussetzung aller Uberwindung 
der Ichsucht und damit die erste Voraussetzung aller religiösen Ge— 
stimmtheit. Und er war läßlich, weil er innerlich sicher und wirklich 
überzeugt war, daß er eine höhere und bessere Glaubensform 
bringe. „Weil sie zu Ehren der Götter viele Ochsen zu schlachten 
pflegen, soll auch dies in ein Fest verwandelt werden. . . Wenn 
man ihnen äußerlich einiges Vergnügen zugesteht, werden sie sich an 
die innerlichen Freuden um so leichter gewöhnen.“ (Gregor der 
Hroße an Abt Mellitus).13) 
Der hl. Remigius war ein Franke und war mit dem Franken— 
heere gezogen, das ums Jahr 500 die Alemannen besiegte, die Deut— 
schen — wie noch das deutsche Cegendenbuch, das sog. Passionale 
von 1471, im Leben des hl. Remigius die Alemannen im Gegensatz 
zu den Franken nennt: „Da waren die Deutschen noch nicht gläu— 
big ...“; gemeint sind die Alemannen.4) 
Den Alemannen, die da an der Tübinger Neckarhalde und am 
Spitzberg wohnten, wird es hart angekommen sein, vor dem fremden 
Hotte, der mit dem fränkischen Landesfeind gekommen war, die Knie 
zu beugen und den feindlichen Kirchenfürsten Remigius als Heiligen 
zu verehren; wenn auch noch erhebliche Seit verstrichen sein mag 
zwischen jener Niederlage von 496 und der Stiftung jenes Kirchleins 
für den hl. Remigius. „Solange die Alemannen selbständig waren, 
blieben sie ein heidnisches Volk“ (Albert Hauck, Kirchengeschichte 
Deutschlands Bd. J S. 97). Von Verlust der Selbständigkeit kann 
man in diesen, auch nach der Niederlage von 496 alemannisch ge— 
bliebenen Gegenden frühestens von 556 ab, der Herrschaft des Fran— 
kenkönigs Theudebert, reden; eigentlich sogar erst von 748 ab, der 
Aufhebung des alemannischen Volksherzogtums durch die Absetzung 
des. Herzogs Cantfrieds II. Die Alemannen werden jenen Titel— 
heiligen zunächst und noch lange Zeit so wenig geliebt haben, wie 
18) Gregor der Große hätte sicherlich nicht die unglaubliche Rohheit eines seiner 
Vorgänger im 5. Jahrhundert gebilligt, der das geweihte Wasserbecken im Heiligtum 
der Juturna auf dem römischen Forum ausdrücklich in eine öffentliche Latrine ver— 
wandeln ließ; vgl. O. Kämmel, Rom und die Campagna, 5. 36. Gregor der Große 
war von ältestem römischen Adel; er hatte sicher geschichtlichen Sinn und Achtung 
bor dem Glauben seiner Vorfahren; wenn auch nicht in dem Maß wie Radbod der 
Friesenfürst, der lieber zu seinen Ahnen in die Bölle als mit den Neuerern in den 
Christenhimmel wollte. 
149) Vgl. Der Heiligen Leben und Leiden von 1471 bzw. 88, Bd. 1, Winterteil 
5. 21, Neudruck des Inselverlags von 1913.
	        
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